Jack Reacher 09: Sniper
nicht gerade eine Latzhose, aber etwas, das weniger auffiel als sein Zeug aus Miami. Weil er wahrscheinlich nach Seattle weiterreisen würde. Wegen des Kaffees. Und in Seattle konnte er unmöglich mit einem leuchtend gelben Hemd herumlaufen.
Er fand ein Geschäft und erstand eine Hose in einer Farbe, die auf dem Etikett als aubergine bezeichnet wurde, während er sie olivgrün genannt hätte. Außerdem ein Flanellhemd in fast gleicher Farbe. Dazu Unterwäsche. Und er investierte in ein Paar Socken. Er zog sich in der Umkleidekabine um und warf seine alten Sachen in die Mülltonne des Ladens. Vierzig Dollar für Klamotten, die er hoffentlich vier Tage lang tragen können würde. Extravagant, aber ihm war es zehn Dollar am Tag wert, ohne Gepäck reisen zu können.
Reacher verließ das Geschäft und ging in Richtung Nachmittagssonne nach Westen. Das Hemd war für das hiesige Wetter zu warm, aber er konnte die Ärmel hochkrempeln und auch den zweiten Knopf von oben öffnen. So war es in Ordnung. Für Seattle würde es gerade richtig sein.
Er erreichte die Plaza und stellte fest, dass die Fontäne wieder angestellt war. Sie füllte den Zierteich sehr langsam. Der zwei, drei Zentimeter tiefe Bodenschlamm löste sich teilweise und trieb langsam kreiselnd durchs Becken. Einige Leute waren stehen geblieben, um das Schauspiel zu verfolgen. Andere hasteten daran vorbei. Aber niemand nahm die Abkürzung an den Erinnerungsgaben vorbei, auf der Barrs Opfer gestorben waren. Vielleicht würde sie nie mehr benützt werden. Jedermann machte den an dem NBC-Zeichen vorbeiführenden Umweg. Instinktiv, respektvoll, ängstlich … Reacher wusste nicht, weshalb.
Er schlängelte sich zwischen Blumen hindurch und setzte sich so auf die niedrige Umfassungsmauer, dass er das Plätschern der Fontäne des Zierteichs hinter und das Parkhaus vor sich hatte. Die eine Schulter war in der Sonne warm, die andere im Schatten kühl. Er konnte den übrig gebliebenen Sand unter seinen Schuhsohlen spüren. Er sah nach links und beobachtete den Haupteingang des DMV-Gebäudes. Schaute dann nach rechts und verfolgte die Autos auf dem aufgeständerten Highway. Sie fuhren hoch in der Luft durch die Kurve, einer nach dem anderen auf nur einer Fahrspur in jeder Richtung hintereinanderher. Der Verkehr dort oben war relativ schwach, obwohl sich auf der First Street bereits der Nachmittagsverkehr zu stauen begann. Als er wieder nach links blickte, sah er Helen Rodin, die neben ihm Platz nahm. Sie war außer Atem.
»Ich habe mich getäuscht«, sagte sie. »Sie sind wirklich schwer zu finden.«
»Aber Sie haben’s trotzdem geschafft.«
»Nur weil ich Sie von meinem Fenster aus entdeckt habe. Ich bin die ganze Strecke gerannt, weil ich Angst hatte, Sie könnten weitergehen und verschwinden. Vorher hatte ich bereits sämtliche Hotels angerufen und erfahren, dass Sie nirgends ein Zimmer haben.«
»Was Hotels nicht wissen, macht sie nicht heiß.«
»James Barr scheint aufzuwachen. Vielleicht kann er morgen schon reden.«
»Oder vielleicht auch nicht.«
»Verstehen Sie viel von Kopfverletzungen?«
»Nur von denen, die ich verursache.«
»Ich möchte, dass Sie etwas für mich tun.«
»Zum Beispiel?«
»Sie könnten mir helfen«, sagte sie. »Bei etwas Wichtigem.«
»Kann ich das?«
»Und damit könnten Sie sich selbst helfen.«
Er schwieg.
»Ich möchte, dass Sie in meinem Auftrag die Beweise analysieren«, sagte sie.
»Dafür haben Sie bereits Franklin.«
Sie schüttelte den Kopf. »Franklin stehen seine alten Kumpel bei der Polizei zu nahe. Er wäre nicht kritisch genug. Er würde sich nie richtig mit ihnen anlegen wollen.«
»Aber ich schon? Ich will, dass Barr verknackt wird, haben Sie das vergessen?«
»Natürlich nicht. Genau deshalb sollten Sie diesen Job übernehmen. Sie sollen mir bestätigen, dass das Belastungsmaterial absolut hieb- und stichfest ist. Danach können Sie die Stadt verlassen und befriedigt weiterziehen.«
»Würde ich’s Ihnen sagen, wenn ich irgendeine Lücke entdecke?«
»Das könnte ich Ihnen an den Augen ablesen. Und Ihr weiteres Verhalten würde mir alles verraten. Gehen Sie, sind die Beweise gut. Bleiben Sie, sind sie schwach.«
»Franklin hat aufgehört, stimmt’s?«
Sie nickte. »In diesem Fall gibt’s auf allen Seiten nur Verlierer. Ich habe ihn ohne was dafür zu verlangen übernommen. Weil’s sonst keiner täte. Aber Franklin muss sich um sein Geschäft kümmern.«
»Er arbeitet also nicht umsonst, aber
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