Jack Reacher 09: Sniper
Asphalt, die Beine weit gespreizt, wie ein großer dummer Buchstabe A vor Reacher stehend.
Mit Blut im Gesicht.
Jetzt hatte er eine gebrochene Nase.
Den Anführer außer Gefecht setzen.
Reacher war mit einem großen Schritt bei ihm und trat ihn zwischen die Beine – aber mit dem linken Fuß. Hätte er den rechten benützt, wären dem Kerl Teile seines Beckenknochens aus der Nase geflogen. Ihr großes weiches Herz, hatte ein alter Militärausbilder einmal gesagt. Eines Tages bringt es Sie noch um.
Aber nicht heute, dachte Reacher. Diesmal nicht . Der große Kerl ging zu Boden. Er sank auf die Knie, fiel nach vorn aufs Gesicht.
Danach wurde es wirklich einfach.
Die beiden nächsten Kerle kamen Schulter an Schulter nebeneinander heran, und Reacher erledigte den ersten mit einem Kopfstoß und den zweiten mit einem Ellbogencheck gegen das Kinn. Sie klappten zusammen, blieben reglos liegen. Damit war Schluss, weil die beiden letzten Kerle flüchteten. Das taten die immer. Das Mädchen namens Sandy lief hinter ihnen her. Nicht schnell. Das hautenge Spandex und die hochhackigen Stiefel behinderten sie. Aber Reacher ließ sie laufen. Er drehte sich um und beförderte ihre drei zu Boden gegangenen Brüder mit Fußtritten auf die Seite. Überzeugte sich davon, dass sie noch atmeten. Sah in ihren Hüfttaschen nach. Fand ihre Geldbörsen. Schaute sich ihre Führerscheine an. Dann ließ er die Geldbörsen fallen, richtete sich auf und drehte sich um, weil er hinter sich einen Wagen am Randstein halten hörte.
Dieser Wagen war ein Taxi. Ein Taxi, aus dem Helen Rodin ausstieg.
Nachdem sie dem Fahrer einen Geldschein zugeworfen hatte, fuhr er mit quietschenden Reifen an, wobei er, ohne nach rechts oder links zu sehen, den Blick stur nach vorn gerichtet hielt. Helen Rodin blieb auf dem Gehsteig stehen und starrte Reacher an, der sich nur einige Meter von ihr entfernt befand. Hinter ihm lagen drei reglose Gestalten auf dem Boden.
»Verdammt, was geht hier vor?«, fragte sie.
»Das möchte ich von Ihnen wissen«, antwortete er. »Sie leben hier. Sie kennen diese Leute.«
»Was soll das heißen? Was, zum Teufel, ist passiert?«
»Kommen Sie, wir gehen«, sagte er.
Sie hasteten nach Süden davon, bogen um die nächste Ecke und gingen Richtung Osten. Dann wieder nach Süden. Dann wurden sie etwas langsamer.
»Sie haben Blut am Hemd«, bemerkte Helen Rodin.
»Aber nicht meines«, sagte Reacher.
»Was ist dort passiert?«
»Ich saß in der Bar, hab mir das Spiel angesehen. Mich um meinen eigenen Kram gekümmert. Dann hat sich eine minderjährige rothaarige Mieze an mich rangemacht. Als ich nicht angebissen habe, hat sie einen Grund gefunden, mich ins Gesicht zu schlagen. Dann sind fünf Kerle aufgesprungen. Sie hat behauptet, das seien ihre Brüder. Wir sind miteinander rausgegangen.«
»Fünf Kerle?«
»Zwei sind weggelaufen.«
»Nachdem Sie die ersten drei zusammengeschlagen hatten?«
»Ich hab mich verteidigt. Das war alles. Mit möglichst wenig Gewalt.«
»Sie hat Sie geschlagen?«
»Mitten ins Gesicht.«
»Was hatten Sie zu ihr gesagt?«
»Unwichtig. Das Ganze war ein abgekartetes Spiel. Deshalb frage ich Sie: Ist das die Art, wie die Einheimischen sich einen Nervenkitzel verschaffen? Indem sie sich Fremde in Bars vorknöpfen?«
»Ich brauche einen Drink«, erklärte Helen Rodin. »Ich bin gekommen, um mich mit Ihnen auf einen Drink zu treffen.«
Reacher blieb stehen. »Dann gehen wir am besten zurück.«
»Das können wir nicht. Vielleicht haben sie die Polizei gerufen. Sie haben drei Bewusstlose auf dem Gehsteig zurückgelassen.«
Er warf einen Blick über die Schulter.
»Okay, dann versuchen wir’s in meinem Hotel«, sagte er. »Vielleicht gibt’s in der Halle eine Bar.«
Sie gingen schweigend nebeneinanderher – auf dunklen, stillen Straßen vier Blocks weit nach Süden. Sie blieben östlich der Plaza und kamen dabei am Gerichtsgebäude vorbei. Reacher sah flüchtig zu ihm auf.
»Wie war das Abendessen?«, erkundigte er sich.
»Mein Vater fischte weiter nach Informationen. Er hält Sie noch immer für meinen Zeugen.«
»Haben Sie’s ihm gesagt?«
»Das darf ich nicht. Ihre Mitteilungen waren vertraulich. Gott sei Dank.«
»Sie lassen ihn also schmoren.«
»Er schmort nicht. Er ist absolut zuversichtlich.«
»Das sollte er auch sein.«
»Sie reisen also morgen ab?«
»Darauf können Sie Gift nehmen. Hier ist’s mir unheimlich.«
»Irgendein Mädchen macht sich an Sie heran, wieso muss
Weitere Kostenlose Bücher