Jack Taylor auf dem Kreuzweg
loszog, um Amerika zu finden.
Hat offenbar was gebracht.
Und schon war ich in der Shop Street, drei Minuten von der Kneipe.
Ein Typ blieb stehen, sagte: »Jack?«
Ich starrte ihn an. Nein, kannte ihn nicht, aber was hatte das mit irgendwas zu tun? Seit den Schüssen schien mich jeder zu kennen.
Er war von Kopf bis Fuß wie eine Reklame für amerikanischen Sport angezogen. Ein Sweatshirt der LA Dodgers, Trainingshose mit Streifen am Bein und einem Logo, das sich SUPERBOWL las, plus die erforderlichen Nike-Turnschuhe. Auf seinem Kopf hielt sich eine Baseballmütze mit der Aufschrift KNICKS KICK ASS unsicher im Gleichgewicht. Ein erdrückendes Aufgebot an americana, muss ich sagen. Er war nicht etwa jung, was entlastend gewirkt hätte, er war Mitte sechzig – falls ihm nicht Suff, Drogen oder beides übel mitgespielt hatten.
Er sagte: »Ich war ein Freund Ihrer Mutter.«
Was bedeutete, dass er kein Freund von mir war. Er registrierte meine Reaktion und fügte hinzu: »Ich meine Ihrer viel zu früh und heftig beweinten Frau Mutter.«
Er bekreuzigte sich, sagte: »Möge der Herr ihr Frieden schenken. Viel davon hat Er ihr, solange sie auf Erden wandelte, gewiss nicht geschenkt.«
Ich wollte sagen, dass sie ihrerseits auch nicht gerade viel davon bereitgehalten habe, aber wozu? Er hätte mich für verbittert gehalten, noch dazu mit Recht.
Ich fragte: »Und Sie halten mich weswegen auf?«
Er stieß ein wohlgeprobtes Lachen aus. Jemand musste ihm gesteckt haben, das sei eins seiner besten Merkmale. Was eine Lüge gewesen war.
Ich sah auf die Uhr, und er verstand die Andeutung, sagte: »Ich will Sie nicht aufhalten. Es geht nur darum, dass ich für die U-14-Fußballmannschaft sammele, wir wollen den Jungs eine neue Kluft besorgen.«
Ich starrte sein Outfit an und fragte: »Wird die irgendeine Ähnlichkeit mit der aufweisen, die Sie tragen?«
Er war entsetzt. »Die spielen Gaelic Football. Ich meine, wir müssen doch unseren Nationalsport unterstützen.«
Bevor er zu einer verschlungenen Vorlesung über Hurling ansetzen konnte, sagte ich: »Ich werd Ihnen was sagen, ich schicke Ihnen einen Scheck mit der Post, wie wäre das?«
Gar nicht gut.
Ich winkte ihm zum Abschied, bevor er eine Erwiderung formulieren konnte.
Kurz bevor ich zu Garavan’s kam, rief mich wieder jemand heran, und ich machte: Verpiss dich. Man kann sich pro Vormittag nur ein gewisses Maß an Scheiß bieten lassen, und ich hatte meine Quote bereits intus, lag sogar leicht drüber. Ich trat eilig ein. Der Tresenmann nickte, wortlos, was schon mal gut war, und ich ging in eine Nische. Man gehört endlich zum Mobiliar, wenn man nicht nur nichts bestellt, sondern seinem ureigenen Platz zustrebt und auf die Getränke wartet.
Mit Erfolg.
Die pint sah aus wie alle Gebete, von denen ich je gehofft hatte, dass sie in Erfüllung gehen. Der Jameson, die pièce de résistance, erstrahlte in dem ihm eigenen Glanz.
Ich murmelte: »Besser wird’s nicht.«
Als der Tresenmann die Getränke hinstellte, überlegte ich, ob ich ihn fragen sollte, wie er hieß. Aber dann würden wir uns möglicherweise anfreunden, und ihm würde etwas Schreckliches zustoßen. Also grunzte ich nur, und er fragte: »Haben Sie gestern Abend die erste Folge von Deadwood auf Sky gesehen?«
Ich war gegen neun im Bett gewesen, hatte noch einen Schlafo gegen den Schmerz genommen, der in meinem Herzen explodiert war. Ich schüttelte den Kopf.
»Machtvoll war die, echt schmutzig, wild, allein schon die Sprache. Ich habe dreißigmal fuck gezählt.«
Gibt es darauf eine Antwort? Eine Antwort innerhalb des Bereichs geistiger Normalität? Ich wusste keine.
Er schob nach: »Sie müssten die Serie lieben.«
War das jetzt Schmeichelei oder die Bitte, eins aufs Maul zu kriegen? Ich ließ es dahingestellt, fasste den Vorsatz, die nächste Folge nicht zu verpassen.
Ich wollte gerade gehen, als ein Typ eintrat, sich umsah, näher kam, fragte: »Kann ich Ihnen einen Whiskey besorgen?«
Ich habe viele Männer gesehen, auch Frauen, vom Suff zum Wrack gemacht, das Gesicht ein Zeugnis all dessen, was die Hölle zu bieten hat, aber dieser Typ, er war wie die Fotos von Bukowski in seinen letzten Tagen. Gar nicht gut. Hinter dem Ruin, schätzte ich grob, war er erst etwa dreißig, aber die roten Augen hatten Dinge gesehen, wie sie ein Jahrhundert voller Pein vielleicht zusammenkriegt.
Ich fragte: »Ist da draußen ein Schild angebracht, auf dem steht: Kommet alle her zu mir, die ihr bescheuert
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