Jack Taylor fliegt raus

Reise
    fortsetzt,
    wenden sich meine Gedanken immer wieder zurück
    und begraben sich in vergangenen Tagen.
    Laut maule ich auf Irisch: »Och, ochon.«
    Eine New-Age-Reisende nähert sich, setzt sich. Ich trinke einen Cappuccino aus einem Styroporbecher.
    Ohne Kakaopulver obendrauf. Ich hasse diese Scheiße.
    Die Reisende ist Mitte zwanzig und in jedem nur denkbaren Bereich mit Reifen behängt. Sie sagt:
    »Koffein wird dich umbringen, Mann.«
    Ich nehme nicht an, dass dies einer Erwiderung bedarf. Sie sagt:
    »Hörst du, was ich sage, Mann?«
    »Ja. Na und?«
    Sie rutscht ein bisschen näher ran und fragt:
    »Und was ist mit den negativen Wellen?«
    Eine Patschuliwolke umhüllt mich. Ich beschließe, durch das Hippie-Getue zu ihr vorzudringen, und sage:
    »Verpiss dich.«
    »Mann, du strahlst ernsthafte Feindseligkeit aus.«
    Mein Kaffee ist kalt geworden und ich stelle ihn ab. Sie fragt:
    »Hattest du als Kind zu Hause rote Teppiche?«
    »Was?«
    »Laut Feng-Shui wird ein Kind dadurch aggressiv.«
    »Wir hatten Linol. Brauner Farbton, mit einem Stich ins Bekotzte. Fertig ins Haus eingebaut.«
    »Oh.«
    Ich stehe auf und sie schreit:
    »Wo warst du, als John starb?«
    »Im Bett.«
    »Das Walross wird niemals sterben.«
    »Gott behüte.«
    Und weg bin ich. Ich sehe mich um und sie hat sich den Cappuccino über den Kopf gekippt. Jetzt leckt sie dran.
    Ich platze bald, so nötig muss ich pinkeln, und riskiere dieöffentliche Bedürfnisanstalt. Diese ist vorübergehend von einer kleineren Trink-Akademie belegt. Der Ort ist verrufen, seitdem ein Päderastenring dort auf Beute ging. Der Oberpenner ruft:
    »Was zu trinken gefällig?«
    Oh ja, aber ich antworte: »Nein, aber vielen Dank.«
    Mein Vorstellungsgespräch bei Green Guard ist um halb eins, und ich habe noch ein bisschen Zeit totzuschlagen. Sehe michflüchtig im Spiegel, mein Haar ist wild. Im Abgehen sage ich:
    »Passt auf euch auf.«
    Der Chor der Akademie:
    »Gott segne Sie, Sir.«
    In der Nähe der Quay Street bemerke ich einen der alten Frisiersalons. Sehe auf die Uhr, denk e … : Was soll sein.
    Keine Kunden. Ein Endzwanziger legt die Sun beiseite und sagt:
    »Wie geht es Ihnen?«
    »Recht gut, danke.«
    Sofort den englischen Akzent bemerkt und gesagt:
    »War das hier früher nicht Healy’s?«
    »Wie bitte?«
    »Chef« nannte er mich zwar nicht, aber die Silbe hing im Raum, konnte jederzeit mit einem Wedeln des Kamms abgerufen werden. Ich sagte:
    »Ich habe die genauen Zahlen vergessen, aber ich glaube, ich hätte gern die Nr. 3.«
    »Sind Sie sicher?«
    »Na, Beckham war eine Nr. 1, da will ich natürlich was Besseres.«
    Er wedelte in Richtung Stuhl und ich setzte mich. Mied, so gut ich konnte, mein Abbild im Spiegel. Ich fragte:
    »London?«
    »Highbury.«
    Liebend gern hätte ich etwas Highburyschmälerndes gesagt, entschied mich dann aber für:
    »Das ist ja mal ein Wetterchen.«
    Die Musik war laut, und der Typ sagte:
    »Joy Divisio n … ›Unknown Pleasures‹ von 1979.«
    Gefiel mir irgendwie. Der verzerrte Mix aus Anmut und Wildheit sprach meine verdorrte Empfindsamkeit an. Ich sagte:
    »In Ordnung.«
    »Oh ja, Kumpel, sie sind die Bringer. Jetzt ist es auch schon wieder zwanzig Jahre her, seit Ian Curtis eine Flasche Scotch getrunken, sich im Fernsehen einen Film von Werner Herzogangesehen, ein Album von den Stooges aufgelegt hat un d … «
    Er verstummte. Die Pointe war unterwegs und sie machte keinen guten Eindruck. Ich spielte brav meine Rolle und fragte:
    »Was passierte dann?«
    »Er ging in die Küche und erhängte sich am Kleiderständer.«
    »Heiland.«
    Der Typ hörte auf, mir die Haare zu schneiden, ließ den Kopf hängen. Ein Moment des Schweigens. Ich fragte:
    »Warum?«
    »Weiß nicht. Er war zwischen einer misslingenden Ehe undseiner Geliebten gefangen. Seine Gesundheit war im Arsch und er kriegte den großen Erfolg der Band nicht in den Grif f … Gel?«
    »Was meinen Sie?«
    »Wenn ich Sie wäre, würde ich welches nehmen.«
    »Dann machen Sie’s rein.«
    Das machte er.
    Als ich ging, gab ich ihm ein anständiges Trinkgeld. Er sagte:
    »Hey, vielen Dank.«
    »Nein, ich danke Ihnen.«

I ch hatte am frühen Morgen bei der Security-Firma angerufen. Ich hatte einen falschen Namen genannt und gesagt, ich hätte gern einen Job. Wurde gefragt:
    »Haben Sie Erfahrung mit so was?«
    »Ich habe gedient.«
    »Großartig.«
    Ich wollte sehen, ob mich jemand vom Personal erkannte. Danach würde ich von Fall zu Fall improvisieren müssen.