Jack vs Chris
ihm den Schmerz verzeihen.
RACHEENGEL
Chris
Mein Blick fällt auf mein schmerzendes Handgelenk und erinnert mich daran, dass ich es noch mal kühlen wollte. Ich lege die Sachen auf den Tisch und möchte mich gerade darum kümmern, als ich bemerke, wie meine Katze sich über die Augen meiner Mutter hermachen will. "Tiger, nein, lass das. Das ist nichts zum Fressen", ich nehme die Augäpfel und lege sie wieder in das Kästchen. Meine Katze sieht mich vorwurfsvoll an und ich entschließe mich, erst für ihre Belange zu sorgen. Ihr zufriedenes Schnurren zeigt mir, dass ich mich endlich um meine Verletzung kümmern kann. Ich entferne den Verband und sehe mir die Wunde an. Gestern konnte ich noch nicht viel sehen, da alles geschwollen und rot war. Nun sieht man deutlich das ‚J’, das in meine Haut eingebrannt ist.
„Gut!“, erklingt es in meinen Gedanken, und ein feines Lächeln erscheint auf meinen Lippen.
„Was soll daran gut sein?“ Mein Blick wandert immer wieder zu den Bildern auf dem Tisch.
„Geh schon, sieh sie dir an.“
„Nein, ich muss mich erst um die Wunde kümmern.“
„Jetzt mach schon“, erklingt wieder die Stimme in mir. Als ein neuer Verband meine Wunde verdeckt, entschließe ich mich, einen Kaffee zu kochen. Ich will meiner inneren Stimme nicht gleich nachgeben. Nachdem mein heiß geliebtes Getränk fertig ist, sehe ich mir alles noch mal an. Ich beschließe, die Sachen an einem sicheren Platz aufzubewahren.
Montagmorgen
Mich erfüllt eine innere Zufriedenheit, die ich schon lange nicht mehr gefühlt habe. Als ich die ersten Kinder begrüße, ihnen helfe, sich umzuziehen, wird mir schon gesagt, was wir heute alles machen müssen. Es sind alle da, bis auf Theo.
Ich beschließe erst einmal mit den Kindern zu malen, als es an der Eingangstür klingelt. Die Leiterin bittet mich, die Türe zu öffnen, und meint seufzend: „Das ist sicher Theo, lässt Du ihn herein und sag bitte Herrn Bauer, dass er das nächste Mal pünktlich sein soll!“ Mit einem Nicken erhebe ich mich und gehe, um die Tür zu öffnen. Theo wird unsanft hereingestoßen, so dass er fast gefallen wäre, wenn ich ihn nicht aufgefangen hätte. Herr Bauer wendet sich schon zum Gehen, als ich ihn aufhalte.
Während Theo sich umzieht, wende ich mich seinem Vater zu: „Herr Bauer, einen Moment noch. Ich soll ihnen ausrichten, dass auch Sie sich an die Zeiten halten sollen. Ebenso wäre ein vorsichtigerer Umgang mit Ihrem Sohn angebracht.“
„Oder was?“, kommt abwertend als Antwort, während er auf mich zu kommt und sich bedrohlich vor mir aufbaut. „Was willst du denn machen, du halbe Portion?“
Bevor ich ihm antworten kann, unterbricht die Leiterin unsere Diskussion und schickt mich zu Theo. „Dich bekomme ich!“, sagt meine innere Stimme, während ein Lächeln auf meinen Lippen erscheint.
Mein Augenmerk richtet sich auf Theo, der am ganzen Körper zittert und leise vor sich hin weint. Langsam gehe ich auf die Knie und beginne, ihm die Schuhe von den Füßen zu streifen, während ich beruhigend auf ihn einrede. Kaum sind wir bei den anderen Kindern in der Gruppe, scheint er wie ausgewechselt, so dass mein Herz regelrecht aufblüht vor Freude. Doch leider entgehen mir seine blauen Flecken nicht, die täglich mehr werden. Es reicht mir, und so bitte ich Elisabeth ins Büro, zu einem Gespräch.
„Was kann ich für dich tun, Christopher?“
„Es geht um Theo, mir sind die vermehrten blauen Flecken aufgefallen. Um auf den Punkt zu kommen, ich bin mir sicher, dass Theo von seinem Vater geschlagen wird. Wir sollten das Jugendamt einschalten, das kann so nicht weiter gehen.“
„Bist du dir sicher? Du weißt doch selbst, wie schnell Kinder blaue Flecken bekommen, und diese Anschuldigungen sind sehr schwerwiegend. Hat Theo etwas in der Hinsicht angedeutet?“
„Ja, ich bin mir sicher, dass es keine blauen Flecken sind, die von harmlosen Spielen oder Stürzen herrühren. Theo hat nichts gesagt, lediglich, dass er gefallen ist, aber wenn ich nach seinem Vater frage, fängt er immer an zu zittern und schweigt konsequent.“
Elisabeth nickt, lächelt mir halbherzig zu: „In Ordnung, ich werde mich gleich mit dem Jugendamt in Verbindung setzen. Ich sag dir bescheid, wenn ich was weiß!“ Damit ist unser Gespräch beendet, und ich begebe mich wieder an meine
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