Jack vs Chris
Arbeit. Ein Gefühl der Erleichterung macht sich in mir breit, denn ich weiß, dass der Schritt richtig ist.
„Warum machst du das nicht selbst?“, murrt meine innere Stimme, die ich einfach ignoriere. Kaum eine halbe Stunde später steht Elisabeth vor mir, um mir mitzuteilen, dass Frau Huber von der Fürsorge in drei Tagen im Kindergarten vorbeikommen will. Die Freude darüber kann ich nicht verbergen. Die Hoffnung, dass Theo bald Hilfe bekommt, zaubert mir ein Lächeln ins Gesicht.
Es ist Donnerstagvormittag, als ich mit Theo das Büro der Kindergartenleitung betrete. Elisabeth lächelt mich freundlich an, dann geht ihr Blick zu der Frau, die ihr gegenübersitzt: „Frau Huber, das ist mein Mitarbeiter Christopher Lorson. Der junge Mann bei ihm ist Theo Bauer, um den es hier geht.“
Frau Huber erhebt sich und kommt lächelnd auf mich zu: „Was für ein netter junger Mann, und so aufmerksam. Wenn wir nur mehr so besorgte Mitarbeiter hätten, wie sie es sind!“, säuselt sie. Irritiert trete ich einige Schritte zurück und werfe Elisabeth einen verwunderten Blick zu.
„Das hier ist Theo, um ihn geht es! Sagst du Frau Huber guten Tag?“, kommt die Leiterin um den Schreibtisch herum gehuscht. Trotz ihrer einfühlsamen Stimme kann sie den Kleinen nicht überzeugen, denn dieser hat sich bereits hinter mir versteckt. „Es ist wohl besser, ich bringe ihn zu den anderen. In der Zwischenzeit können Sie ja mit Herrn Lorson besprechen, was Sie wissen möchten“, meint Elisabeth zu Frau Huber, und verlässt mit Theo das Büro.
„Wobei kann ich ihnen helfen?“, versuche ich lächelnd zu fragen. Ihre Augenbrauen gehen nach oben, während sich ihre Mundwinkel verziehen, soll das freundlich sein?
„Was halten Sie davon, wenn wir das Ganze in einem Café besprechen, das wäre eine angenehmere Atmosphäre!“
„Sicherlich, aber wir können es auch gerne hier machen“, erwidere ich, und meine Irritation über diese Frau vertieft sich zunehmend.
„Ich habe jetzt leider keine Zeit mehr, der Termin wurde doch recht kurzfristig angesetzt. Wissen Sie, Herr Lorson, Sie wollen, dass Theo schnell geholfen wird und ich natürlich auch. Morgen Nachmittag um vier Uhr im Café Leonardo, ansonsten müsste ich einen neuen Termin mit Ihnen machen, und das kann gut einen Monat dauern. Es liegt bei Ihnen!“ Da brauche ich nicht lange zu überlegen. Theo braucht Hilfe, und zwar so schnell wie möglich, also stimme ich dem Termin für den nächsten Tag zu. Frau Huber verabschiedet sich lächelnd von mir und drückt etwas ihr Kreuz durch. Ein merkwürdiges Verhalten, das diese Frau an den Tag legt.
Jack
Den Anblick von Chris werde ich so schnell nicht vergessen, auch sein schmerzverzerrtes Gesicht nicht, das mir einen erregenden Schauer über den Rücken gejagt hat. Ein paar Tage habe ich ihn nicht gesehen, und was ich nun erblicke, ist ein Grauen. Da sitzt er mit einer dunkelhaarigen Frau vor einem Café.
Ihr Ausschnitt schreit nach Aufmerksamkeit, ihr Augenaufschlag widert mich an.
Was macht er hier mit ihr? Brennend verbreitet sich eine heiße Flut von Wut in mir, die wildesten Gedanken schießen durch mein Gehirn, und wollen frei gelassen werden. Sie streift sich ihr dunkelbraunes Haar zur Seite, lächelt keck und leckt sich über die Lippen. Ich muss mir ein Würgen verkneifen, was soll das denn? Ihre Hand wandert zu seiner, umfasst sie: „Weißt du, Christopher, wenn ich mich um Theo kümmern soll, müsstest du mir etwas mehr bieten. Meine Zeit ist sehr kostbar!“
Ihr Blick verrät, was sie will, und meine Hand ballt sich zu einer Faust. „Was erwarten Sie von mir?“, antwortet Chris mit gerunzelter Stirn, und zieht seine Hand weg.
Ist er wirklich so unwissend, oder tut er nur so? Einen auf unnahbar machen, ja das kann jeder. Die Galle steigt mir langsam hoch.
Die Frau zupft ihren Ausschnitt noch etwas mehr ins rechte Licht, ihr Mundwinkel hebt sich etwas: „Du wirst sicher wissen, was sich eine Frau wünscht. Das ist ein einmaliges Angebot, sonst lasse ich Theos Akte einfach unter den Tisch fallen, als wäre nichts gewesen.“ Meine Gedanken geraten ins stocken … Theo? Wer ist Theo? Doch dann fällt mir der kleine Junge aus dem Kindergarten ein. Grüne Augen, schmales Gesicht, braune Haare. Sehr schüchtern, und hat Angst vor seinem Vater. Ich habe ihn gesehen, als ich Chris beobachtet habe. Dieser Vater hat ihm gedroht und seinem Sohn noch schlimmer, dass ich mir schon
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