Jacks Briefe
gewesen sein. Er zwang sich, viel mehr dazu in die Gesellschaft hinein zu gehören und zu passen, als er es heute tat. Ihre Mutter war der Meinung das läge daran, dass er sie geheiratet hat und weil sie genug für beide an die Etikette dachte, würde er es für sich selbst, nicht mehr für nötig halten. Katelyn aber wusste genau, dass ihr Vater dieses zwanghafte Leben nicht mochte und auch nie gemocht hatte. Er wollte frei sein und frei leben und hatte deshalb für sich beschlossen, dass das Gerede der Leute nicht weiter von Belang für ihn war. Seit sie sich erinnern konnte, war dies der erste Ball, auf den er vorhatte mitzugehen. Vielleicht, weil es ihr Ball war. Katelyn wusste, wie sehr ihr Vater sie liebte. Womöglich dachte er, es würde ihr viel bedeuten, wenn er dabei wäre. So war es selbstverständlich auch, und selbst wenn er in der strengen Masse auffallen sollte, ihr war es gleich. Für sie war ihr Vater, neben Jack, die wichtigste Person in ihrem Leben und es kümmerte sie nicht im Geringsten, was andere Leute von ihm dachten.
Als sich die Kutsche von Haimsborrow in Richtung Dunksville, dem Anwesen der Baileys, in Bewegung setzte, empfand Katelyn nichts als Überdruss. Der Ball, auf den sie hingearbeitet hatte, seitdem sie ein kleines Kind war, war ihr nun überhaupt nicht mehr wichtig. Sie hätte ganz auf ihn verzichten können. Auf dieses überaus unsinnige Fest, auf die teure Kleidung, das ganze Spektakel welches stattfand nur um all die jungen, reichen Damen zu präsentieren, als seien sie das Vieh auf einer Marktauktion. Sie dachte einen Augenblick darüber nach, wie es wäre, wenn sie jetzt einfach aussteigen würde. Einfach so, während der Fahrt würde sie die Türe der Kutsche öffnen, hinausspringen, weich landen, mit ihrem teuren Kleid, aus sechs verschiedenen Stoffschichten. Sie würde den Weg entlang gehen, sich die Welt von außen ansehen und irgendwann in Aberdeen ankommen und Jack wiedersehen. Sie würde frei sein und all das hier vergessen. Doch diesen Schritt schlug sie sich schnell wieder aus dem Kopf. Katelyn tat ihre Pflicht als eine Campbell. Nicht für sich selbst und erst recht nicht für ihre Mutter, sondern einzig und allein wegen ihres Vaters, den sie für nichts in der Welt enttäuschen wollte.
Sie betraten den Ballsaal auf Dunskville und Katelyn wurde flau im Magen. Sie dachte an die Geburtstagsfeier ihrer Mutter, bei der sie in Begleitung von Jack, den Saal betreten hatte und wie viel besser sie sich durch ihn gefühlt hatte. Doch er war nicht hier. Obwohl alles voller Menschen war, fühlte sie sich unendlich einsam. Auch die Anwesenheit von Elisabeth, ihrer langjährigen Freundin, konnte sie nicht allzu sehr aufmuntern.
„Du machst ja vielleicht ein Gesicht“, begrüßte Elisabeth sie, dann nahm sie einen großen Schluck Bohle aus einem breiten Weinglas. „Bist du so aufgeregt? Komm, trink das, dann geht’s dir gleich viel besser.“ Sie drückte ihrer Freundin das Glas in die Hand.
„Ist das Wein?“, fragte Katelyn und roch prüfend an dem Getränk.
„Das hoffe ich doch!“, erwiderte Elisabeth kichernd. „Nur so kann man diesen Auflauf von hässlichen Erben, auf der Suche nach Ehefrauen ertragen.“
Katelyn blickte sich um und musste lachen, als sie feststellte, dass ihre Freundin mit dieser Aussage gar nicht so falsch lag.
„Na los. Trink, dann geht’s dir besser“, drängte Elisabeth.
Katelyn nippte am Glas und verschluckte sich dann ungeschickt an einer weingetränkten Erdbeere. Sie hustete und erregte damit Aufmerksamkeit, die ihrer Mutter gar nicht gefiel. Elisabeth klopfte ihr kräftig auf den Rücken. Katelyns Kleid war nun mit roten Tupfen bedeckt. Die Seide damit unwiderruflich ruiniert. Hastig suchte sie den Waschraum auf, um den Schaden einzudämmen. Doch sie machte es mit ihrem Wischen nur noch schlimmer. Gleich würden die Debütantinnen zum Tanz aufgerufen und sie würde mit diesem Kleid voller Flecken sicherlich für unschönen Gesprächsstoff sorgen. Angespannt kehrte sie in den Saal zurück, gerade noch rechtzeitig für ihre Ankündigung. Sie würde mit Duncan den Tanz eröffnen. Einfach aus dem Grund, weil seine Eltern es so beschlossen hatten und sie waren eben eine der einflussreichsten Familien in ganz Nordschottland.
Als Duncan Katelyn seinen Arm anbot, nahm sie diesen zögerlich an. Sie versuchte, einen möglichst großen Abstand von ihm zu halten. Schließlich wollte sie ihm nicht das Gefühl geben, dass sie gerne bei ihm war.
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