Jacks Briefe
ihnen würde sein Abbild sein und so würde sie ihn immer bei sich haben, auch wenn sie durch große Entfernungen getrennt sein sollten.
William war unterdessen mit anderen Dingen beschäftigt. Beim gemeinsamen Abendessen verkündete er, dass er gleich Morgen nach London aufbrechen müsse. Königin Anne hatte ihn persönlich um Anwesenheit bei einer Versammlung der Ratsmitglieder gebeten. Vermutlich würde er erst kurz vor Weihnachten nach Haimsborrow zurückkehren. Katelyn sah keine Möglichkeit mit ihrem Vater, vor dessen Abreise, über Jacks und ihre Pläne zu sprechen. Obgleich eigentlich auch gar keine Dringlichkeit vorlag, denn Jack wollte sich schließlich selbst darum kümmern und mit ihm jene Unterredung führen. Dennoch verspürte sie das Bedürfnis mit ihrem Vater vorab über alles zu reden, damit er vorbereitet war und vielleicht auch, auf eine diplomatische Art den Segen seiner Frau, für beide, einholen konnte, bevor sie vor vollendete Tatsachen gestellt wurde. Nicht das dies für Katelyn sehr wichtig gewesen wäre, aber dennoch dürfte sie, bei all dem Bestreben um ihr eigenes Glück nicht vergessen, das Lady Amalia nun mal ihre Mutter war und diese sich für ihre Tochter ein ganz anderes Leben gewünscht hatte. Außerdem war Katelyn ebenso der Meinung, dass sie mit viel mehr Freude die Ehe mit Jack eingehen könnte, wenn sie die Gewissheit hätte, dass ihre Mutter den Segen dafür gegeben hatte. Sie ging zu Bett, mit der Absicht noch am selben Abend Jacks Brief zu beantworten, doch sie schlief völlig erschöpft über dem Papier ein.
Sie träumte von einem Feuer, mitten im Winter. Der Boden lag schneebedeckt und die eisige Luft erstickte beinahe ihren Atem, als sie einen schmalen Weg entlang lief. Eine Todesangst umfing sie, als sie die markerschütternden Schreie von Menschen hörte, die ganz nah klangen. Sie rannte, sich immer wieder umblickend zu ihrem Verfolger, der sich mit rasender Geschwindigkeit auf sie zu bewegte. Der Rauch des Feuers, das überall zu sein schien, verdeckte sein Gesicht. Sie suchte Zuflucht hinter einem Felsvorsprung und wog sich fast in Sicherheit. Fest drückte sie sich ihren Mund zu, damit er ihren schnellen, angestrengten Atem nicht hören konnte. Vor ihr zog unheilvoll der schwarze Rauch vorbei, getragen von einer eiskalten Brise. Als er sich auflöste, spürte sie ihren Verfolger direkt vor sich. Er richtete die Pistole auf sie, drückte den Abzug. In einem verzweifelten Aufbäumen hörte sie sich selbst schreien: „Nein! Nicht!“ Dann sank sie auf den gefrorenen Boden nieder und fühlte in diesen, ihren letzten Sekunden die eisige Kälte unter sich, die wie ein Gegenstück zu dem Schmerz den sie in ihrem Leib verspürte, war. Sie griff mit ihrer Hand nach dem Mann, der sich nun über sie beugte und als sich der Rauch verzog, erkannte sie in ihm ihren eigenen Vater.
Sie erwachte aus diesem viel zu realistischen Traum, als hätte ihr jemand sacht die Hand auf den Rücken gelegt, um sie so vorsichtig wie möglich aus jener düsteren Vision zurückzuholen. Seltsam war, dass sie sich nicht einmal danach fühlte, soeben aufgewacht zu sein. Nein, sie spürte immer noch die gleiche Müdigkeit wie vor diesem Albtraum in sich. Sie fasste sich an die Stirn und berührte ihre Wangen, als würde sie von einer unsichtbaren Macht dazu gebracht, dies zu tun. Als sie sich danach ihre Finger besah, waren diese voller Tintenflecken. Sie ging zu ihrer Kommode, klappte den Spiegel auf und erschreckte sich vor sich selbst. Ihr Gesicht war über und über voll mit schwarzer Tinte. Obwohl sie diese eben gerade selbst verschmiert haben musste, waren die Flecken in einer eindeutigen Form. Jeder von ihnen war, wie ein Tropfen, genau wie eine Träne angeordnet, als ob sie diese gerade geweint hätte. Schnell versuchte sie sich, mit reichlich Wasser und Seife davon zu reinigen. Sie rieb so fest, dass ihr ganzes Gesicht die Farbe einer überreifen Tomate annahm, als sie endlich auch den letzten Flecken Tinte beseitigt hatte.
Obwohl ihre Augenlider schwer vor Erschöpfung waren, setzte sie sich erneut an ihren Schreibtisch und begann mit ihrem Brief an Jack. Nach diesem Erlebnis war es für sie unmöglich einfach zu Bett zu gehen. Sie wollte Jack davon erzählen, so wie es immer getan hatte, als er noch in Haimsborrow war. Nun aber musste sie ihm davon schreiben und auf seine aufbauende, beruhigende Antwort warten, die mitunter auf ihrem Weg durch halb Schottland, eine gewisse Zeit
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