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Jacob beschließt zu lieben - Roman

Jacob beschließt zu lieben - Roman

Titel: Jacob beschließt zu lieben - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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Sack vor dem Ofen abgestellt und war wieder hinausgegangen. Von draußen war nun das regelmäßige, geduldige Schleifen zu hören. Ich wusste, dass Sarelo zusammengekauert an der Hauswand lehnte und neue Messer oder solche, die er bei seinen Kunden eingesammelt hatte, schärfte. Dass er von Zeit zu Zeit damit aufhörte, um mit dem Daumen über die Klinge zu fahren. Er war so gut, dass ihm die Arbeit nie ausging.
    Die Tür zum zweiten Zimmer, die Ramina stets unter Verschluss hielt, stand diesmal weit offen. Neugierig geworden, näherte ich mich und wollte auf die Türschwelle treten, um einen Blick hinein zu erhaschen, als sich mir ihr massiger Körper in den Weg stellte. Der Körper, der mir oft wie ein weiches Kissen vorkam, an das ich mich anlehnen und in dessen vielen Falten ich mich verlieren konnte, zwang mich nun unsanft zum Rückzug.
    Wenn ich mich so an Raminas Fett schmiegte, atmeteich im gleichen Rhythmus wie sie, und ihr warmer Bauch hob und senkte sich und zusammen mit ihm auch mein Kopf. Nicht selten stiegen in mir eine unendliche Sanftheit und Ruhe auf, und ich schlief dabei ein. Mutter erzählte, dass Ramina nach Sarelos Geburt wie Brotteig aufgegangen war. Nachdem sich ihr Körper entleert hatte, hatte sie ihn mit enormen Mengen von Essen wieder aufgefüllt.
    Sie hatte so viel in sich hineingestopft, dass sie nach wenigen Jahren fast nicht mehr durch die Tür passte. Dann hatte sie sich entschieden, gar nicht mehr hinauszugehen, außer in den Fällen, in denen sie sich um mich kümmern musste, aber sonst hatte sie niemand mehr im Dorf gesehen. Mutter vermutete sogar, dass sie das Fett aß, das wir ihr gaben, denn sie hatte nie irgendwelche Seifen aus Raminas Händen gesehen.
    Ramina schloss die Tür ab und steckte den Schlüssel in die Tasche. «Du bist spät, Jacob, ich dachte, dass du nicht mehr kommst.»
    «Was versteckst du dort drinnen?», fragte ich sie. Ihre Ohrfeige kam ohne Vorwarnung. Ich sah kurz das wabbelnde Fleisch ihres gehobenen Armes, dann senkte er sich wieder, und gleich darauf glühte meine Wange. Ich wusste, dass ich die einzige Frage gestellt hatte, die ich nicht stellen durfte. Auf die ich kein Anrecht hatte.
    Ich war auf mehr gefasst, doch sie ging stumm zum Ofen, stieß mit der Fußspitze gegen den Sack, wie um sicher zu sein, dass er nicht leer war, dann machte sie sich zum Bettsofa auf. Dort ließ sie sich mit einem solchen Krachen und Seufzen nieder, als ob sie das Ganze eine übermenschliche Kraft gekostet hätte. Die Strümpfe hingen lose und ausgefranst über die mächtigen Waden, diewie die Schinken aussahen, die bei uns in der Räucherkammer hingen.
    Sie schien mich vergessen zu haben, und ich wollte mich schon zurückziehen, als sie den Arm ausstreckte, mich bat, das Fenster zu öffnen und mich neben sie zu setzen.
    Es war jedes Mal dasselbe. Wir saßen viel zu tief, als dass wir mehr als nur ein Stück Himmel zu sehen bekommen hätten. Sie war so sehr in das Sofa eingesunken, welches mit den Jahren unter ihrem Gewicht eingebrochen war, dass sie mir wie ein auf Grund gelaufenes Schiff vorkam. Sie atmete geräuschvoll, als ob die Luft, die in sie eindrang, sich nur mit Mühe einen Weg durch sie hindurchbahnen konnte.
    Ramina packte mich am Handgelenk und zog mich näher, dann legte sie den Arm wie eine Zange um meine Schultern. Ich stellte mir vor, wie ich immer weiter an Ramina heranrücken würde, bis mich ihr großzügiger Körper von überallher einhüllen würde. Er würde mich in sich aufnehmen, und meine Spur würde sich für alle Zeiten verlieren. Aber dazu kam es auch diesmal nicht.
    «Wieso stellst du nicht andere Fragen?», wollte sie wissen.
    «Kannst du nicht den Lehrer und drei seiner Jungen verwünschen? Sie wollten, dass ich das Serbenmädchen schlage.» Sie schwieg. «Und dass ich dir nichts mehr bringe.»
    Sie schaute mich an und sagte: «Das ist böse, Jacob. Sehr böse. Ich hoffe, du hörst nicht auf sie.» Sie überlegte kurz. «Ich werde schauen, was ich machen kann», dann schob sie mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. «Aber jetzt stell mal die intelligente Frage.»
    Sie, die Analphabetin war, hatte das Wort
intelligent
irgendwo aufgeschnappt und benutzte es seitdem, um unsere Sitzungen einzuleiten. Ich wusste, was sie von mir erwartete und dass es der einzige Ausweg aus ihrer Umklammerung war.
    «Wie bin ich wirklich geboren worden?», fragte ich sie. Sie ließ mich befriedigt und mit einem lauten
Ach
los.
    «Wieso hast du die Frage nicht

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