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Jacob beschließt zu lieben - Roman

Jacob beschließt zu lieben - Roman

Titel: Jacob beschließt zu lieben - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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ausgestreckten Armen und Beinen, das Ohr an den Boden gepresst, aus, als ob die Antwort, die sie sich erhoffte, aus den Eingeweiden der Erde und nicht von oben kommen musste. Manchmal murmelte sie: «Heiliger Vater, mach, dass mein Mann mich liebt und dass er seinen Sohn annimmt.» Am Schluss holte sie das Kruzifix und küsste es.
    Ramina legte mich in die Wiege, die Katicas Vater, ein Zimmermann, gebaut hatte und die in der Mitte der Stube von der Decke hing. Sie hatte mich von Kopf bis Fuß eingewickelt, wie sie es kurze Zeit später bei ihrem eigenen Sohn tun sollte. Um die Stofflappen hatte sie eine Schnur herumgewickelt, sodass ich bewegungsunfähig wurde. Wie eine gerade erst geborene Mumie verbrachte ich diemeiste Zeit damit, die Decke anzustarren und Mutters leisem Jammern nachzulauschen.
    An jenem Tag, als der Krieg mit Verspätung begann, verließ ich Raminas Haus, nachdem sie mich mehrmals so heftig an ihre bebende Brust gedrückt hatte, dass ich nach Luft schnappen musste. «Ich erwarte dich dann nächste Woche, Jacob!», rief sie mir nach.
    Draußen hüpften knapp ein Dutzend geköpfte Hühner umher. Ihre Köpfe lagen auf einem Haufen neben Sarelos nackten Füßen, das Blut sickerte in die Erde, nicht anders als mein Urin. Sarelo hob ein letztes Huhn hoch, hielt es fest, das Tier hing hilflos herunter und pendelte mit seinem dünnen Körper den Takt seiner letzten Augenblicke aus. Mit einer schnellen und geübten Handbewegung enthauptete Sarelo es. Das Messer zog einen glatten Schnitt durch den Hals des Huhns, das zu Boden fiel und auf eine gespenstische Art herumzuzappeln begann. Zwölf weiße, kopflose Vogelkörper, die vor Raminas Haus umherirrten, als ob sie sich ein letztes Mal gegen den Tod stemmten. Dann fielen sie der Reihe nach um.
    «Meine Messer sind so gut, dass sie sogar den Wind schneiden können», murmelte Sarelo. Als ich mich entfernen wollte, rief er mir, immer noch mit den Messern beschäftigt, hinterher: «Du darfst meiner Mutter kein Wort glauben! Du bist doch nur auf einem Misthaufen geboren!» Es war schon Abend, als ich die Dorfgrenze erreichte und die Glocken läuteten. Der Krieg hatte auch für uns begonnen.
    * * *
    Zu meinem Namen kam ich durch Großvater. Er würde immer sagen, dass es ein Versehen von Franzosen-Tuttenuy,dem Dorfschreiber, war, der mich mit
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anstatt mit
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schrieb. Doch es ging noch ein anderes Gerücht um.
    Kurz nach meiner Geburt soll ein Mann in einer Kutsche ins Dorf gekommen sein und direkt vor unserem Hof angehalten haben. Dann klopfte er heftig ans Tor, und Großvater öffnete ihm. Vater war mit seinem neuen rumänischen Verwalter unterwegs, um ein Stück Land zu begutachten, auf dem er eine Mühle bauen wollte. Darüber hinaus hatte er von den Bauern der Nachbardörfer – denn die Triebswetterer gaben ihm nichts – so viel Boden gekauft, als befürchtete er, dass er bald ausgehen könnte.
    Großvater unterhielt sich mit dem Fremden, und was er hörte, beunruhigte ihn so sehr, dass er, als sie beide in der Stube waren, nach Mutter rief. Sie schenkten dem Mann ein Glas Wein ein, dann fing dieser an zu erzählen.
    In der Zeitung hatte man über die Hochzeit der Amerikanerin berichtet, die endlich einen Mann gefunden hatte, und auch über ihre Niederkunft.
Happy End
, stand da ganz groß. Dann war Vater mit Namen und Herkunftsort erwähnt und so gut beschrieben worden, dass der Fremde sich sofort auf den Weg gemacht hatte.
    Er sei der eigentliche Jakob, und Vater habe ihm den Namen gestohlen und nicht nur das. Er habe einen Stallburschen beschäftigt, einen gewissen Franz. Von Anfang an sei der Umgang mit ihm schwierig gewesen, er habe sich nichts sagen lassen, habe sogar gedroht, und wenn nicht gedroht, dann habe er sich so vor einem aufgebaut, dass man sich fürchten musste. Er sei sehr fähig und manchmal angenehm gewesen, aber das habe sich schnell wieder ändern können.
    Eines Tages stritten sie sich furchtbar, weil sich Franzschlecht bezahlt fühlte. Dabei soll das Geschäft des Mannes so wenig abgeworfen haben, dass er ihm kaum mehr habe geben können. Als er am nächsten Morgen aufgewacht war, habe er den Burschen am Bettende vorgefunden, wie er ihn anstarrte. Er sei darüber so erschrocken gewesen, dass er ihn auf der Stelle entlassen habe.
    Zuerst hatte es so ausgesehen, als ob es Franz gar nichts ausmache. Er behauptete sogar, dass es ihm gelegen käme, denn er würde bald reich heiraten. Soviel der Fremde sagen konnte, habe Franz eine

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