Jacob beschließt zu lieben - Roman
ruhig da, erduldeten den Himmel, wie sie ein Leben lang den Menschen erduldet hatten.
Der Baron erhob sich und sprach: «Männer, ihr habt Großes vollbracht, für euch, eure Familien und die Monarchie. In kürzester Zeit habt ihr hier ein Dorf errichtet, das euch eine neue Heimat sein wird. Wenn ihr gut und hart arbeitet, werdet ihr es zu einigem Wohlstand bringen, jedenfalls so viel wie einem Bauer zusteht.» Er hüstelte. «Dabei werde ich euer gerechter und wohlwollenderHerr sein. Bei mir findet ihr immer ein offenes Ohr für eure Anliegen, aber nur als allerletztes Mittel. Zuerst kommt der Richter. Wer ist euer Richter?»
Ein Gemurmel setzte ein, denn niemand hatte an so etwas gedacht. Der Baron wurde ungeduldig und flüsterte den anderen, die in der Reihe hinter ihm saßen, zu: «Sie können schuften wie die Tiere, aber nicht denken.» Er seufzte und wiederholte seine Frage. Die Menschen sahen sich ratlos an. Plötzlich erklang eine Stimme:
«Bruder Frederick. Der soll Richter werden!»
Ein anderer legte nach: «Frederick Obertin!»
«Wo ist dieser Frederick Obertin? Er soll sich zeigen!», sagte der Baron.
Frederick nahm seinen Hut ab und trat verlegen nach vorn. Der Baron wandte sich wieder an seine Begleitung: «Der Kerl sieht in Ordnung aus, verlieren wir keine unnötige Zeit. Bei solchem Wetter bringt mich die Gicht fast um.» Er winkte Frederick zu sich auf die Bühne. «Können Sie schreiben und lesen?», fragte ihn der Baron, und Frederick verneinte. Der Baron drehte sich zu den Leuten um. «Da haben wir ein Problem, denn Frederick Obertin kann nicht lesen und schreiben, und das muss er tun können, um Richter zu sein. Ich fürchte, ihr müsst euch einen anderen aussuchen.»
Aus dem Publikum gab es einige Pfiffe, etwas Unerhörtes für jene Zeit. Der Baron blickte ratlos in die Menge. «Keiner von uns kann lesen oder schreiben!», wurde ihm entgegnet. Dann war Evas Stimme zu hören, die bis zum Bühnenrand durchdrang. «Ich bin seine Frau. Ich werde ihn Schreiben und Lesen lehren.» Der Baron blickte die Honoratioren an, und diese nickten mehrheitlich.
«Gut, wenn ihr es so wollt. Frederick Obertin, kommnäher.» Von irgendwoher tauchte ein silberbeschlagener Stock auf, der von Hand zu Hand wanderte, bis er beim Baron war. Er hielt ihn Frederick hin. Der Regen setzte kurz aus, als sollten die Worte des Herrn für alle deutlich zu hören sein. Frederick fühlte sich in seiner armseligen Kleidung fehl am Platz neben den Männern, die man bis zur Bühne getragen hatte, damit ihre Stiefel nicht dreckig wurden.
«Frederick Obertin, ich ernenne Sie zum Richter des Dorfes …» Der Baron stockte mitten im Satz, dann schaute er hilflos zur Seite und fragte leise: «Haben wir schon einen Namen dafür?» Alle zuckten mit den Achseln, auch daran hatte bislang niemand gedacht.
«Bei solch trübem Wetter, Exzellenz, kann es nur Trübswetter heißen», flüsterte nun auch Frederick.
«Das klingt schlecht», fand der Baron und überlegte eine Weile, bis sich sein Gesicht aufhellte.
«Frederick Obertin, ich ernenne Sie zum Richter des Dorfes Triebswetter. Sie sollen den Untergebenen Ihrer Majestät, der Wohlgeborenen Kaiserin von Österreich und Ungarn, ein gerechter und strenger Richter sein und über sie nach bestem Wissen und Gewissen urteilen. Sie sollen in allen Angelegenheiten des Dorfes das gewichtigste Wort haben und es zum Wohlstand führen. Auf dass sich die Hoffnungen, die man in die Kolonisten gesteckt hat, erfüllen und das Dorf bald zu den besten Steuerzahlern des Banats zählen wird. Sie sollten darauf achten, dass getreu unseren hochheiligen christlichen Gesetzen Zucht und Ordnung herrschen. Sollte sich jemand eines mittelschweren Vergehens schuldig machen, dürfen Sie ihn am Pranger durchs Dorf führen, und er soll auf jeder Gasse sein Vergehen und seine Strafe ausrufen.Ebenso steht Ihnen die Bastonade auf der Strafbank zu. Für schwere Vergehen hingegen haben Sie sich an mich und die Verwaltung zu wenden. Sie rufen auch den Richttag aus, damit die Leute für kleinere Vergehen Rechenschaft ablegen können. Und ebenso sind Sie zuständig für den Versöhnungstag, auf dass sich zwei Parteien, die voller Neid und Zorn sind, wieder vertragen und die Gemeinschaft in ihrem weiteren Bestehen nicht bedroht wird. Ihr Haus wird künftig das Richthaus sein und somit der offizielle Sitz der Administration. Sie werden auch Menschen für notwendige öffentliche Arbeiten verpflichten können. Sie aber
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