Jade-Augen
indischer Offizier beaufsichtigte einen Burschen dabei, wie der den mit Sägemehl gefüllten Ring in eine glatte Ebene verwandelte.
»Guten Morgen, Hauptmann«, grüßte der Inder Kit. »Wir sind so gut wie fertig für den Unterricht.«
»Guten Morgen, Rissaldar.« Erwiderte Kit den Gruß des Kavalleristen. »Meine Herren, bitte nehmen Sie die Sättel ab«, aufgeräumt schritt er in den Ring, und über die Schulter rief er: »Ayesha, du kannst deinen vorerst behalten.«
Kein Nörgeln ließ sich vernehmen über den Befehl, aber die Kavalleristen gehorchten mit wenig Begeisterung, starrten vor sich hin, sattelten ihre Pferde ab und warfen dabei gelegentlich neugierige Blicke auf die bewegungslose, verschleierte Gestalt auf dem Rücken des riesigen Pferdes, das sie als dem Hauptmann gehörend erkannten.
Der Rissaldar machte keinen Versuch, seine Neugier zu verbergen. »Haben Sie Besuch, Hauptmann, ja?«
»Eine … eine Freundin von mir, könnte man wohl sagen«, antwortete Kit, konspirativ grinsend. »Ich habe eine Wette darauf abgeschlossen, daß ich ihr die Handhabung eines Pferdes im Ring genauso gut beibringen kann wie irgendeinem Kavalleristen. Wenn ich also Dienst habe, wird sie ebenfalls hier sein. Und wenn du nichts dagegen hast, Rissaldar, schicke ich sie dir gelegentlich zum Üben.«
Der Rissaldar war viel zu sehr an die allgemein ausschweifenden Vergnügungen aristokratischer Offiziere gewöhnt, um bei dieser Erklärung auch nur mit der Wimper zu zucken. »Spricht sie denn Englisch?«
»Ein wenig«, sagte Kit vage. »Aber sie versteht es ausgezeichnet.«
Der Reitmeister nickte und meinte: »Ich bezweifle, daß Charlie überhaupt merkt, daß sie auf ihm sitzt.« Er faßte Pferd und Reiterin mit Kennerblick ins Auge. »Sie wird ihn ohne Muskelkraft davon überzeugen müssen, was sie von ihm will.« Er breitete die Arme aus. »Aber Charlie ist ohnehin ein Geschöpf milden Charakters.«
Kit nickte und wandte sich den Kavalleristen zu, die jetzt ohne Sattel auf den Rücken ihrer Pferde saßen. »Können wir beginnen, meine Herren? Ein Schwenk nach rechts, wenn Sie so freundlich wären.«
Annabel beobachtete die anderen einen Augenblick, als ihr klar wurde, warum die Reiter so untröstliche Gesichter gezogen hatten, diese schwierige Übung ohne Sattel zu machen. In ihrer Bewegungsfreiheit durch die langen Schwerter, die rein zeremonieller Natur zu sein schienen, und die Lanzen, die sie ruhig halten mußten, beeinträchtigt, führten sie unter dem kritischen Auge des Rissaldar und Hauptmann Ralstons zögernd mehrere Halbkreise aus.
Charlie begann unruhig auf dem Sägemehl zu scharren, als ob er die Trennung von seinen Kameraden nicht mochte, und sie beruhigte ihn mit einem leisen Zuruf und einem Straffen der Zügel. »Laß mich erst sehen, was wir tun sollen«, flüsterte sie ihm sanft zu, nachdem er aufgehört hatte, mit den Hufen zu scharren. »Du weißt vielleicht, wie man es macht, aber ich nicht.«
Sie beobachtete weiter, genauso von diesem neuen Auftreten Kits fasziniert wie von der Dressur. Seine Stimme, leicht und nie versagend höflich, selbst wenn er Kritik übte oder etwas zu verbessern hatte, war neben dem Hufgetrappel das einzige Geräusch in der hölzernen Halle, in der er die Reiter durch ein kompliziertes Ritual führte, das mehr Ähnlichkeit mit einem Tanz als mit einer Kampfvorbereitung hatte. Aber sie zweifelte weder an ihren reiterischen Fähigkeiten, um diese Manöver zu bewältigen, noch an ihrer Erfahrung im Umgang mit Pferden. Wenn es ihr und Charlie gelänge, hier zur Übereinstimmung zu gelangen, gab es nur wenig, was sie nicht auch anderswo erreichen konnten.
Nach einer Weile flüsterte Kit dem Rissaldar leise etwas zu, der ohne Einhalt weitermachte. Kit kam auf Ayesha zu. Er ging mit den langen, ausgreifenden Schritten eines Athleten, und der eng anliegende Schnitt seiner Hose und seines Uniformrocks brachten den gutgebauten, muskulösen Körper vorteilhaft zur Geltung.
»Laß uns zunächst eine halbe Drehung nach rechts versuchen«, sagte er munter. »Es sein denn, du willst den ganzen Morgen wie das Denkmal der Geduld an diesem Platz ausharren.«
»Nein, das möchte ich nicht«, antwortete sie eine Spur ungehalten, dann sah sie, wie seine Augen strahlten. »Ich wollte mich nur nicht lächerlich machen, falls es sich irgendwie vermeiden ließe.«
»Das wird nicht geschehen, und Charlie weiß genau, was er tun soll, aber er wird sich nicht wohl fühlen, wenn du ihn nicht
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