Jade-Augen
habe die Botschaft, bis zum Letzten auszuhalten, nicht bekommen. Gott verdammt, Mann! Major Griffiths war im Begriff, mit einer großen Streitmacht aufzubrechen, um Shereefs Fort zu stürmen. Warren hätte bis zum Abend erlöst sein können.« Er sah so zerknittert aus wie Kit, seine Haare ungekämmt, sein Rock schief zugeknöpft. »Oh, Annabel, entschuldigen Sie bitte, ich habe Sie gar nicht gesehen«, begrüßte er sie zerstreut, bevor er fortfuhr: »Warren sagt, der Feind habe das Tor des Forts unter Beschuß genommen, aber er gibt auch zu, daß sie noch keinen Zugang gewonnen hatten. Aber darauf wollte er auch nicht warten.« Abscheu schwang in Bobs Stimme mit. »Offenbar hat er ein Loch durch die Wand des Forts stemmen lassen und seine Leute auf diesem Weg evakuiert.«
»Bei allen Stümpern und Pfuschern!« Kit fuhr mit den Fingern durch seine Haare, die wild und ungezähmt zu Berge standen.
»Du tust ihm noch einen Gefallen«, meinte Bob grob. »Ich hätte ihn anders genannt.«
»Ja, das würde ich auch gerne. Aber vielleicht hat er die zweite Meldung nicht erhalten. Wie auch immer –« Kit hob die Schultern. »Entweder kämpfen wir jetzt, oder wir reden über die Übergabebedingungen. Es sei denn, Elphinstone ist bereit, sich im Sessel zu verkriechen und im Verhungern eine Lösung zu sehen.«
Die beiden Männer schienen Ayesha vergessen zu haben, und sie tat nichts, um ihre Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, stand vielmehr bewegungslos daneben, hörte zu und dachte nach. Andere Männer kamen zu ihnen herüber, drückten den gleichen Abscheu und ähnliche Sorgen aus, und die Meinungen tobten durch die eisige Luft, während sie darüber nachsann, daß es ihr hier genauso unmöglich war, sich an einem männlichen Gespräch zu beteiligen wie im Zenana. Im Kantonnement gab es außer Kit und Harley nur vier Männer, die wußten, wer und was sie war, und da Kit wollte, daß es dabei blieb, hatte sie keine andere Wahl als Annabel-Ayesha unterzuordnen, wie all die Jahre vorher. Sie kam sich ein wenig lächerlich vor angesichts Kits fieberhafter Entschlossenheit, Annabel Spencer untertauchen zu lassen und Ayesha in den Sattel zu hieven.
Sie rührte sich nicht, und die Unterhaltung fesselte ihn so, daß Kit sich abwandte und den Platz verließ, noch immer in Gesellschaft seiner Kameraden und so tief im Gespräch, daß er sie nun in der Tat vergessen hatte. Sie fragte sich, wie lange es wohl dauern würde, bis er sich an sie erinnern würde, blieb stehen, wo sie war, und sah, wie alle um die Ecke verschwanden.
Minuten später tauchte Kit wieder auf, das Gesicht vor Besorgnis tiefgefurcht. Als er sie noch immer an dem gleichen Platz entdeckte, wich die Besorgnis dem Erstaunen. Er kam zu ihr herübergelaufen. »Was ist denn los?«
»Ich wollte nur herausfinden, wie lange du brauchst herauszufinden, daß du mich zurückgelassen hast«, sagte sie.
Kit sah betroffen aus und versuchte die Beschuldigung zu widerlegen, aber es gelang ihm nicht.
Annabel lachte. »Mach dir keine Sorgen, ich bin keineswegs beleidigt. Es kommt mir nur so vor, als ob Männer im wesentlichen überall auf der Welt gleich sind, egal ob sie die Berge Afghanistans bewohnen oder europäische Bungalows. Bring sie in einem spannenden Gespräch zusammen, und Frauen existieren nicht mehr.«
»Das ist nicht wahr«, leugnete er. »Das Leben ohne Frauen wäre unerträglich.«
»So lange, wie sie an dem ihnen zugewiesenen Platz ausharren.« Ihre Augenbrauen hoben sich fragend.
»Oh, laß das«, sagte Kit. »Ich werde nicht hier herumstehen, um Spitzfindigkeiten mit dir auszutauschen. Dein Platz ist im Bett, und dort möchte ich dich jetzt sehen.«
»Wir müssen uns irgendeinen Ersatz für die fehlenden Nahrungsmittel verschaffen«, stimmte sie zu. »Ich nehme an, Liebe erfüllt den Zweck genauso wie alles andere.«
Ihre kleinen Neckereien überlagerten ihre Gewärtigung der entsetzlichen Lage, in der sie sich befanden, überlagerten sie, leugneten sie jedoch nicht.
14. KAPITEL
»Das Mädchen is’ hier, Miss, mit Ihren Kleidern.« Harley betrat das Speisezimmer, wo Kit und Annabel beim Frühstück saßen.
»Oh, vielen Dank.« Annabel stand auf. »Ich sehe mir mal an, was sie gebracht hat, und brauche zweihundert Rupien, Kit, wenn sie alles dabei hat, was sie mir versprochen hat.«
»Ist mir eine Ehre«, säuselte er und stellte seine Teetasse hin.
Das Mädchen stand in der Eingangshalle. Sie war verschleiert, trug jedoch keinen Chadri, und in
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