Jade-Augen
erklärte Colin knapp. »Die Frauen sind äußerst beunruhigt.«
»Aber wenigstens sind sie am Leben und haben ein Dach über dem Kopf«, sinnierte der Khan. Niemand antwortete.
»Was immer ihr benötigt, um eure Umstände zu verbessern, werde ich gerne zur Verfügung stellen, wenn es meine Möglichkeiten gestatten«, sagte er plötzlich heiter, als ob die vorangegangene Bemerkung nicht lautgeworden wäre. »Ihr wollt euch Bewegung verschaffen, nehme ich an, das könnt ihr nach eigenem Gutdünken auf dem Hauptinnenhof tun.« Auf seinen Lippen lag das gutmütige Lächeln, welches Kit schon früher an ihm gesehen hatte. »Ich selbst breche recht bald von hier auf, sobald ich mich um eine kleine, aber ärgerliche Angelegenheit gekümmert habe.« Die schwerlidrigen Augen verschmälerten sich, ihren Ausdruck vor seinen Zuhörern verbergend. Er strich sich über seinen spitzen Bart. »Major Pottinger spricht etwas Paschtu, soweit ich weiß. Er wird in meiner Abwesenheit eure Bedürfnisse vorbringen können … es sei denn … vielleicht hat Ralston, Huzoor, in den vergangenen Wochen ein wenig von der afghanischen Sprache gelernt?«
Kits Augen trafen mit kühler Klarheit auf den hellen Blick seines Gegenübers. »Ich erinnere mich an keine Notwendigkeit, eine andere Sprache als die meiner Geburt zu sprechen, Akbar Khan.«
Nachdenklich nickte der Sirdar, als untersuche er den Fehdehandschuh, der nun vor ihm lag, bevor er darüber entschied, ob er ihn aufnehmen sollte oder nicht. Dann lächelte er. »Zu einem anderen Zeitpunkt würde es mich sehr interessieren, deine Meinung zu bestimmten Aspekten der Herkunft und Adoption zu hören.«
»Ich vermute, sie unterscheiden sich von deinen.«
»Das vermute ich ebenfalls«, stimmte er leutselig zu. »Wenn das alles ist, die Herren –« Eine Augenbraue hob sich fragend. »Die Wachen werden euch mit allem versorgen, was ihr braucht, um euer Quartier wohnlicher zu machen.«
Nachdem diplomatische Dankesbezeugungen und die entsprechenden Erwiderungen ausgetauscht waren, schloß sich die Tür hinter seinen Besuchern, und Akbar Khan saß mit finsterem Blick da, die eben noch zur Schau gestellte Freundlichkeit war erloschen. Dann schob er mit einem scharfen, kratzenden Geräusch seinen Stuhl über den Steinfußboden zurück und verließ den Raum.
Die Frauengemächer lagen auf der Nordseite des Hofes und waren, wie alles andere in Budiabad, kalt und verwahrlost. Dort wohnten die schlampigen, zu Tieren degradierten Frauen der Bergbewohner, kaum vergleichbar mit Ayeshas gewohnten Dienerinnen. Ayesha wurde, wie befohlen, in einem kleinen Raum hinter verschlossener Tür gehalten.
Vor dieser Tür blieb Akbar Khan stehen und schob leise die hölzerne Klappe beiseite, die es einem im Gang stehenden Beobachter gestattete, durch die winzige Öffnung den Bewohner des Raums zu beobachten. Ayesha saß bewegungslos vor dem Kamin und starrte in das träge schwelende Feuer. Die Kerzenflamme flackerte in einem Luftzug, der durch das hohe, unzugängliche Fenster ins Innere drang. Im Gegensatz zu ihrer kargen Umgebung war sie warm gekleidet, und Felle türmten sich auf dem schmalen Bett, welches an der gegenüberliegenden Wand stand.
Er beobachtete sie eine lange Zeit, versuchte herauszufinden, ob sie niedergeschlagener, besorgter oder nur nachdenklicher Stimmung war. Sie hatte ausreichende Gründe für die beiden erstgenannten, aber er wußte auch, wieviel Kraft sie aus der inneren Besinnung zu ziehen vermochte; damit bereitete sie sich vermutlich vor, ihm gegenüberzutreten, wenn er entschieden hatte, wie sich die Angelegenheit allmählich, kaum erwähnt und doch von höchster Bedeutung, zwischen ihnen entwickeln sollte.
Unwillentlich zu ihr hingezogen, legte er seine Hand auf den Türgriff, dann nahm er sie plötzlich zurück. Sich abwendend kehrte er in das Audienzzimmer zurück. »Laßt Ayesha zu mir bringen.«
Die Wachen empfingen den Befehl schweigend, und Akbar Khan lehnte sich in seinen Sessel.
Als sie eintrat, war sie verschleiert und ihre Augen gesenkt. Nachdem sie ihren Gruß entboten hatte, war ihre Haltung weder unterwürfig noch herausfordernd; sie hielt sich, als ob sie die Unabänderlichkeit ihrer Lage hinnahm. Er entließ die Wachen und sagte, sie musternd, kein Wort.
»Ich hätte nicht anders handeln können«, ließ sie sich schließlich leise, aber fest vernehmen.
»Wurdest du gewaltsam in dem Haus von Christopher Ralston festgehalten?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein,
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