Jade-Augen
«
»Ich könnte dir den Hals umdrehen!« zischte er.
»Sie fangen an. Gib sorgfältig acht!«
Er biß grimmig die Zähne aufeinander und zwang seine Aufmerksamkeit auf das Feld. Dann ging alles andere unter in der Aufregung des Dramas, das sich vor seinen Augen abspielte.
Akbar Khan war wegen des Pelzbesatzes seiner Kleidung und seines aufgeputzten Pferdes leicht von den übrigen zu unterscheiden. Einen Augenblick lang schien alles ein einziges Durcheinander zu sein. Wild schrien die Männer, die sich wie rasend in das Gewühl stürzten, um nah genug an die Ziege heranzukommen und sie aufheben zu können. Mit einem Mal tauchte Akbar Khan aus der ungestümen Masse auf, setzte sich von seinen Verfolgern ab, hielt mit beiden Händen ein Bein des baumelnden Tierkadavers und die Zügel fest zwischen den Zähnen. Die starke Inanspruchnahme durch das Gewicht, das er mit sich führte, stand ihm ins Gesicht geschrieben. Als drei Männer mit vor Aufregung rasenden Schreien ihn zu überwältigen drohten, trieb er sein Pferd in halsbrecherischem Tempo von ihnen fort, die Ziege mit seinem Körper schützend, indem er sich tiefer über den Sattel beugte und über das Feld flog.
»Oh, verlier sie nicht!« keuchte Ayesha, und ihre Teilnahmslosigkeit verschwand, als sie aufgeregt im Sattel auf und ab hüpfte. »Ist er nicht der wundervollste Reiter?«
Kit wollte ihr die Inbrunst ihres Lobes übelnehmen, vermochte es jedoch nicht, sondern konnte ihrer Begeisterung nur zustimmen. Er selbst genoß einen recht guten Ruf als Reiter, gab sich jedoch keiner Täuschung darüber hin, daß er sich bei solch einer Gelegenheit mit Akbar Khan messen könnte. Die Aufregung der Fuchsjagd über bestes englisches Land wirkte wie ein Spaziergang im Vergleich zu dem wilden Galopp und der Ausdauer dieses Buzkashi. Und die Fähigkeiten eines Jägers wären hier von geringem praktischen Nutzen.
Ein Aufschrei ging durch die Menge, als Akbar Khan einen Augenblick lang von Gegnern umzingelt war, aber wieder gelang es ihm, sich zu befreien und dabei den Preis festzuhalten, während er sein großes schwarzes Pferd über die Ebene trieb und seine Verfolger abschüttelte.
»Er ist frei und galoppiert ungehindert«, rief Ayesha und ließ sich in ihren Sattel zurückfallen. »Die Menge hat es so bestimmt.«
Tatsächlich jubelten die Zuschauer und applaudierten, manche feuerten sogar Schüsse in den Himmel ab. Akbar Khan brachte sein Pferd zum Stehen und trabte zurück zur Mitte des Feldes. Seine Gegenspieler blieben zurück, als der Jorchi in den Ring geritten kam und seine Stimme zum Lob des Siegers erhob.
»Er sagt, daß Akbar Khan die Schnelligkeit einer Antilope, den Sprung des Leoparden und das Herz des Schwarzbären besitzt«, übersetzte Ayesha schnell. »Wirst du mir jetzt sagen, daß das Schmeicheleien sind?« Wieder war dieses spöttische Lachen in ihrer Stimme. »Im Buzkashi, Christopher Ralston, kannst du die wahre Stärke der Afghanen erfahren. Sie werden bis zum Tod kämpfen und kennen kein Erbarmen. Die britische Armee in Kabul muß sehr stark an sich glauben, wenn General Elphinstone annimmt, die Ghilzai unterwerfen zu können.«
Kit zog eine Grimasse. »Wie kannst du deine eigenen Landsleute nur so verachten?«
»Sie haben nichts getan, was meinen Respekt verdient«, antwortete sie knapp. »Das …« Sie wies auf das Feld vor ihnen: »Das verdient Respekt. Es ist vielleicht unzivilisiert oder sogar barbarisch, aber es ist rechtschaffen und echt. Sie schätzen Stärke, Mut und Entschlossenheit. Hier wirst du keine Heuchelei finden.«
»Und was ist mit Verrat?« wollte er wissen. »Willst du den Verrat der Afghanen, die gebrochenen Zusagen, die Grausamkeiten, die wahllosen Morde an unschuldigen Frauen, Kindern und Händlern leugnen?«
Sie zuckte die Schultern. »Sie sehen es nicht als Verrat. Sie stehen ehrlich zu ihren Lügen.« Ein Lachen schlich sich in ihre Stimme. »Solche sind gestattet, wenn sie Leben retten, einen Streit schlichten, eine Ehefrau erfreuen und im Krieg dem Feind die Siegesgewißheit rauben. Ihr Umgehen mit den Feringhee fällt in die letzte Kategorie. Sie sind unberührt von deiner sogenannten Zivilisation, Ralston, Huzoor, und sie werden ihr Blut aufbieten gegen ein fremdes Joch. Ihr werdet dieses Volk niemals unterwerfen.«
»Verdammt noch mal, Frau, eines Tages werde ich dich unterwerfen!« drohte Kit, über das Maß des Erträglichen provoziert von dieser Treue zur Barbarei.
»Wie sehr du einem Afghanen
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