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Jade-Augen

Jade-Augen

Titel: Jade-Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Feather
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ähnelst«, spottete sie. »Du siehst, wie leicht es geschieht, daß man ihre Sitten übernimmt.«
    Sein Gesicht verdunkelte sich; seine Hände ballten sich hilflos um die Zügel zu Fäusten. Er wußte, daß er lächerlich geklungen hatte; er empfand wie Annabel, wenn es um die prahlerischen, aufgeblasenen Laffen in Kabul ging; aber sie waren noch immer seine Landsleute – genauso wie sie, wenn man sie nur zu dieser Einsicht bewegen könnte.
    Akbar Khan hatte den Kadaver zurück in die Mitte des Feldes geworfen, und die Reiter sammelten sich für einen neuen Durchgang. Auf einmal erhob der Sirdar eine Hand und wandte sich zu dem Hügel um; seine Stimme brach sich in schallender Herausforderung an den umliegenden Felsen.
    »Ralston, Huzoor! Bist du bereit, die Reitkunst und die Kraft der britischen Kavallerie mit der der Afghanen zu messen?«
    »Nein!« flüsterte Ayesha, aller Spott war aus ihrer Stimme verschwunden und Entsetzen erfüllte das eine Wort. »Das darfst du nicht, Kit.«
    Er drehte sich zu ihr und spürte die kalte Leere, die entsteht, wenn man die einzig mögliche Entscheidung trifft. »Zweifelst du an mir?«
    »Sie werden dich demütigen, wenn sie dich nicht sogar verletzen«, warnte sie. »Du kannst gegen sie nicht gewinnen.«
    »Es wird langsam Zeit, Annabel Spencer, daß dir jemand beweist, daß auch die Rasse, in die du hineingeboren wurdest, ein Rückgrat hat«, erklärte er eisig.
    »Sir«, Abdul Ali kam nach vorn, »wir sind an Ihrer Seite.«
    Kit betrachtete seine Männer. Kein Aufflackern von Gefühlen zeigte sich in den braunen Gesichtern, keine Anzeichen von Angst in den ruhigen Blicken. »Vorwärts, Havildar.« Er gab die Zügel frei, und sein Pferd fiel zunächst in Trab und galoppierte denn den Hügel hinunter auf das Knäuel der afghanischen Reiter und den triumphierenden Akbar Khan zu.
    Annabel fühlte Übelkeit in sich aufsteigen. Wenn sie ihn nicht gereizt hätte, dann hätte er sicherlich Akbar Khans absurde Herausforderung nicht angenommen. Sie wußte, warum sie ihn so aufgestachelt hatte. Es war ein Versuch, die Selbstzufriedenheit, von der sie meinte, daß er sie mit allen anderen Briten in Afghanistan teilte, zu erschüttern. Sie hatte während des Heranwachsens unter diesen Menschen mit jedem Atemzug ihre ungestüme Verachtung und ihren Abscheu vor den Feringhees in sich aufgesogen. Aber es gelang ihr nicht auf die gleiche Weise, Massaker als die einzige Vorgehensweise gegen die Eindringlinge und als Rache für die Invasion gutzuheißen. Ihre Seele wehrte sich mit einer Entschiedenheit gegen diese Auffassung, die ihr klarmachte, daß sie sich darin grundlegend von den Menschen, die sie aufgenommen hatten, unterschied. Sie glaubte nicht, daß die Europäer alle so schlecht waren, wie Akbar Khan sie beschrieb und wie es die arrogante Laxheit der britischen Verwaltung in Kabul zu bestätigen schien. Sie hatte ihre Eltern geliebt und war davon überzeugt, daß sie nicht in das Schema gepaßt hätten, das Akbar Khan ihr aufnötigte. Dann jedoch spürte sie das Nagen des Zweifels, schließlich war sie damals ein Kind gewesen: verwöhnt, altklug, schwierig. Wie oft hatte sie diese Beschreibung in langen elterlichen Aussprachen gehört. Wie konnte sie den Erinnerungen und Einschätzungen eines solchen Kindes trauen, die noch dazu so weit zurücklagen?
    Also hatte sie versucht, Christopher Ralston ein gewisses Verständnis für die wahre Natur seines Feindes abzuringen. Wegen des Konflikts zwischen ihrem erlernten Abscheu dessen, was er repräsentierte, und ihrer instinktiven Ablehnung des Schicksals, das ihm Akbar Kahn und die übrigen Sirdars vermutlich bestimmt hatten, war ihr Versuch leider unbeholfen gewesen. Statt ihn zu nötigen, die Gefahr anzuerkennen, hatte sie ihn mit ihrem Spott in deren Arme getrieben. In den Armen der Gefahr würde er sicherlich zu den Einsichten gelangen, die sie ihm hätte einflößen sollen. Aber es würde eine harte Schule sein.
    Sie wollte nicht glauben, daß Akbar Khan Kit irgendwelche ernsthaften körperlichen Verletzungen zufügen würde. Aber er wollte ihn demütigen, so wie er es mit der vergangenen Nacht bezweckt hatte. Er würde ihn mit eingeklemmtem Schwanz von hier fortgehen lassen, damit er seinen Leuten von der Kraft, dem unzähmbaren Mut, der unbesiegbaren Entschlußkraft und der wilden Grausamkeit des Feindes berichtete. Und sie konnte sich nicht vorstellen, daß es ihr gelingen würde, diese Demütigung mit anzusehen. Aber selbst als ihr

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