Jade-Augen
Blumenkohl ist besser als jemals zuvor.«
Pflichtbewußt folgte Christopher ihr hinter das Haus, wo er die Reihen unterschiedlichen Gemüses bewunderte, die Sir Robert Sale emsig anlegte, wenn er nicht gerade gegen die Afghanen zu kämpfen hatte. »Dann werden Sie also Kabul noch vor Ihrem Gemahl verlassen, Ma’am?« erkundigte er sich, als sie ins Haus gingen.
»Es sieht so aus. Er ist mit diesem jüngsten Ghilzai-Aufstand beschäftigt. Was für eine Plage … die Post kommt einfach nicht durch, solange die Pässe blockiert sind.« Sie ließ eine Glocke in der Eingangshalle ertönen. »Sehr unzivilisiert von ihnen, finden Sie nicht auch?«
»Allerdings«, stimmte er trocken zu.
»Ghulam Naabi, bring bitte den Tee«, befahl Lady Sale dem nahenden, weißgekleideten Diener, der nun in den Salon davoneilte. »Ich gebe heute abend eine Soiree, Christopher. Jemand muß sich darum kümmern, die Leute bei guter Laune zu halten. Ein Kartentisch, ein wenig Musik … vielleicht ein bißchen zu zahm für Sie«, fügte sie mit erhobenen Augenbrauen hinzu, »aber es würde Ihnen nicht schaden, zur Abwechslung einmal einen vorbildlichen Abend zu verbringen. Ich habe das Gefühl, daß ich es Ihrer Mutter schulde, ein Auge auf Sie zu haben. Die arme Letty«, murmelte sie und brachte ihn mit dieser Erinnerung etwas aus der Fassung.
Die Tage, in denen seine belagerte Mama es von ihren Freundinnen erwartet hatte, ein Auge auf ihren unruhigen Sohn zu haben, waren lange vorüber, dachte Kit wehmütig. Die Berichte, die so gewissenhaft von einer Reihe interessierter Matronen überbracht worden waren, hatten seine ohnehin schon leicht zerstreute Mutter noch mehr veranlaßt, sich in sich selbst zurückzuziehen, und sein reizbarer Vater hatte zum tausendsten Mal erklärt, daß sein einziger Sohn nicht mehr länger sein Sohn sei … bis er mit dem Bedürfnis nach ein wenig Landleben an seine Schwelle zurückkehre und seine skandalösen Heldentaten in der Stadt ein wenig in Vergessenheit geraten wären.
»Ich bin beauftragt, General Elphinstones Grüße zu überbringen, Ma’am«, sagte er, als ob er sie nicht gehört hätte. »Außerdem, sollte es irgend etwas geben, was Sie für Ihre Soiree aus der Messe benötigen, so werden wir Ihnen das Notwendige gerne zur Verfügung stellen.«
»Nun, wie rücksichtsvoll der General doch ist«, befand Lady Sale und wandte sich dem Samowar zu, der von dem Diener bereitgestellt worden war. »Tee, Christopher?«
Da nichts Gehaltvolleres angeboten werden würde, nahm er höflich an und setzte sich, die obligate halbe Stunde eines Morgenbesuches durchzustehen.
»Sie werden doch heute abend kommen, Kit, nicht wahr? Ich hätte gerne, daß Sie sich um Millie Drayton kümmern. Ist ein recht ansprechendes kleines Ding, aber sehr schüchtern. Die Draytons sind letzten Monat in Kabul eingetroffen, und Millie sehnt sich sehr nach ein bißchen Ablenkung.«
Kit dachte an seine Nacht mit Ayesha. Und er dachte an Millie Drayton. Der Unterschied zwischen ihnen beiden war so überwältigend, daß er um ein Haar einem unpassenden Lachanfall Raum gegeben hätte. »Ich hatte mir vorgenommen –« begann er zögernd.
»Einen Abend unbekümmerter Ausschweifungen zu verbringen«, unterbrach ihn Ihre Ladyschaft rasch. »Das überrascht mich keineswegs. Aber Sie könnten doch sicherlich einer der ältesten Freundinnen Ihrer Mutter einen kleinen Gefallen tun?«
Kit konnte nur taktvoll nicken. Er kannte das alte Schlachtroß, seit er auf den Knien herumgerutscht war, und sie hatte eine Art, die er nicht umhin konnte zu bewundern, diese Herrscherseite ihrer Natur. Er stellte fest, daß er ihre Ansichten nicht wirklich ablehnte und überließ sich dem Gedanken an einen Abend tödlicher Langeweile in Gesellschaft der armen, einfältigen Millie Drayton.
Er trat seine Flucht an, sobald er es mit Anstand konnte, und schritt munter in die kühle Luft des frühen Oktobers hinaus. Er blickte hoch zu den sich deutlich abzeichnenden Bergen, welche die Stadt einschlossen, eine Meile hoch aufgetürmt in diesem höchst unwirtlichen Gelände. In wenigen Wochen würden diese Gipfel schneebedeckt, die Ebenen um Kabul unter Schneegestöber begraben und Fluß wie Kanäle zugefroren sein. Das Kantonnement lag gerade außerhalb der Stadt selbst, und wieder einmal wurde ihm auf überwältigende Weise deutlich, wie bar jeder Verteidigung es war. Von den Baracken, der Messe, den Magazinen und der Kavalleriereitschulen einmal abgesehen, war
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