Jade-Augen
unbekümmert.
»Wie dumm von mir, Miss Drayton. Ich verstehe gar nicht, wie ich es übersehen konnte.« Er legte einen halben Sovereign in den Topf. Bei Lady Sale war das Spielen um Geld nach oben hin begrenzt, wofür er in seiner augenblicklichen Zerstreutheit nur dankbar sein konnte, überlegte er säuerlich. Bei solchen Einsätzen würde er ein Vermögen verlieren, wenn er so weitermachte.
»Ich dachte, Sie wären ein vollendeter Kartenspieler, Leutnant«, versuchte Millie Drayton ihr Glück und rollte mit den spärlich bewimperten Froschaugen. »Ihr Ruf ist legendär.«
Unvermittelt schob Kit seinen Stuhl zurück. »Ich kann mir nicht vorstellen, wo Sie diesen Eindruck gewonnen haben könnten«, sagte er und machte keinen Versuch, seinen Überdruß zu verbergen. »Wenn Sie mich bitte entschuldigen wollen …« Er verbeugte sich zu dem ganzen Tisch hin, tat so, als sehe er Millie Draytons Ausdruck verletzten Erstaunens nicht, und machte sich auf der Suche nach der Gastgeberin davon. Das Mädchen war natürlich auch nur ein Produkt ihrer Erziehung, sorgfältig darin unterwiesen, das einzige Ziel ihres Geschlechts zu erreichen: eine vorteilhafte Heirat. Alle annehmbaren jungen Männer waren als Wild geeignet. Kit hatte dieser Jagd in den letzten Jahren immer entkommen können und bisher ein boshaftes Vergnügen dabei empfunden, aber aus irgendeinem Grund war ihm plötzlich der Appetit an der Übung vergangen.
»Oh, Kit, wollen Sie uns wirklich schon so bald verlassen?« Lady Sale, in einem Kreis auf ähnliche Weise beschäftigter Matronen sitzend, blickte von ihrer Stickerei auf. »Ich hatte gehofft, daß ihr jungen Leute euch noch ein wenig am Tanz erfreuen würdet; nur das eine oder andere Stück. Ich bin sicher, daß Mrs. Bennet gerne spielen würde.« Sie nickte der Pomeranze eines ältlichen Obersten zu, die sich beeilte Ihrer Ladyschaft zu versichern, daß sie den jungen Leuten ganz und gar zur Verfügung stehe. »Das ist doch selbstverständlich«, schnitt ihr Lady Sale, deren Vorschläge Gesetz waren, das Wort ab. »Ich werde Ghulam Naabi bitten, den Teppich zurückzuschlagen.«
»Ich wünschte, ich könnte bleiben«, log Kit glattzüngig, »aber ich fürchte, ich habe Regimentspflichten.«
»Zu dieser Nachtstunde?«
»Es ist kaum zehn Uhr, Ma’am«, gab er zu bedenken. »Ich muß meine Befehle für den Morgen entgegennehmen.«
»Also gut, wenn Sie nicht bleiben, dann bleiben Sie eben nicht.« Ihre Ladyschaft gab die verlorene Sache auf und zeigte ihm an, daß er entlassen war.
Kit verbeugte sich über ihrer Hand und ergriff aufatmend die Flucht. Draußen empfing ihn die Kälte, Sterne standen klar am Gebirgshimmel, und der Boden knirschte frostig unter seinen Stiefeln, als er durch die dunkle Siedlung ging, die Gedanken auf einen Brandy, Makao und die entspannende Gesellschaft geistesverwandter Freunde gerichtet.
Burnes begrüßte ihn überschwenglich, und sein gerötetes Gesicht, die blutunterlaufenen Augen und seine schwerfällige Sprache machten nur zu deutlich, womit er den bisherigen Abend verbracht hatte. In der verräucherten Bibliothek im hinteren Teil des Hauses hielten sich sechs von Kits engeren Freunden auf, alle in einem Zustand, der dem ihres Gastgebers ähnelte, herumlungernd mit aufgeknöpften Uniformröcken und die Füße vor dem Kamin ausgestreckt. Der Willkomm fiel recht lautstark aus.
»Hab’ dich seit Tagen nicht gesehn, mein Freund«, stellte Hauptmann Markham fest und beugte sich über die Punschbowle. »Dachte, du hättst schon vor ’ner Woche von dieser Patrouille zurück sein solln.« Er goß den dampfenden Nektar in ein Glas und reichte es dem Neuankömmling.
»Das hätte ich … Danke, Bob.« Kit nahm einen tiefen Zug. »Ah, jetzt fühle ich mich besser. Ich halte jede Wette, daß dieser angebliche Punsch bei Lady Sale nicht mehr als einen halben Schuß Wein abgekriegt hat.«
»Was hast du denn bei der Versammlung zu suchen gehabt?« wollte einer der anderen wissen und zündete sich mit einer dünnen Wachskerze seinen erloschenen Zigarrenstummel wieder an. »Im allgemeinen doch nicht deine Art von Unterhaltung, sich bei den Matronen einzuschmeicheln, was?«
Allgemeines Gelächter begrüßte diese unleugbare Wahrheit. Kit öffnete den obersten Knopf seines Offiziersrocks und warf sich auf ein Sofa. »Lady Sale ist eine Freundin meiner Mutter. Konnte irgendwie nicht nein sagen.« Er zog eine Grimasse. »Ich sollte die kleine Millie Drayton unterhalten … dieses
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