Jaeger
den Mann zu Boden zu zerren, indem er heftig an seinem Arm riss.
Der Golem leistete erbitterten Widerstand und zog in die entgegengesetzte Richtung. Er spürte, wie sich Fleisch und Muskeln, Haut und Sehnen vom Knochen lösten. Blut schoss aus der Wunde, tränkte sein Hemd und spritzte dem Hund in die Augen, der sich, von dem Geruch berauscht, noch fester in den Arm verbiss und nun wie von Sinnen an ihm herumzerrte.
Der Golem ballte eine Faust und ließ sie auf die Schnauze des Hundes niedersausen. Das Tier heulte auf, ob vor Schmerz oder Wut, war schwer zu sagen. Doch es ließ nicht los. Der Golem schlug ein zweites Mal zu. Die Kiefer lockerten sich kaum merklich. Der Golem nutzte seinen Vorteil und rang den Hund zu Boden. Das Tier zappelte und versuchte verzweifelt sich zu befreien, doch der Golem hielt es mit den Beinen am Boden fest.
Es gelang ihm, seine Finger ins Maul des Hundes zu zwängen und sie ihm von innen gegen den Gaumen zu drücken. Der Hund wand sich wie verrückt, doch der Golem ließ nicht locker, obwohl ihm schwindlig war vor Schmerzen.
Immer stärker pressten seine Finger gegen den Oberkiefer des Hundes. Gleichzeitig benutzte er seinen linken Arm als Hebel, um den Unterkiefer herunterzuziehen. Dabei gruben sich die Fänge des Hundes noch tiefer in sein Fleisch, aber er versuchte die Schmerzen auszublenden.
Dachte nur an seinen Auftrag. Seine Zielperson.
Die Zielperson durfte nicht entkommen.
Er drückte immer heftiger zu. Irgendwann hörte und spürte er das Knacken von Knochen. Noch immer ließ er nicht von dem Hund ab. Blut begann zu fließen, aber diesmal war es nicht das des Golem.
Er spürte, wie die Zähne um seinen Arm sich immer weiter lockerten. Tief aus der Kehle des Hundes kam ein Winseln. Doch er hörte immer noch nicht auf.
Schließlich musste der Hund einsehen, dass er besiegt war, und ließ los.
Der Golem riss seinen Arm aus dem Hundemaul und schleuderte das Tier zu Boden, wo es winselnd liegen blieb.
Der Golem blickte zum Haus hinüber. Seine Zielperson würde ihm entwischen. Dann warf er einen Blick auf die Hunde. Sie quälten sich und würden nicht mehr lange leben. Er konnte die verletzten Tiere nicht einfach so liegen lassen. Er kniete sich neben den ersten Hund und sah ihm in die Augen, bevor er ihm das Genick brach. Mit dem zweiten machte er es ebenso.
Dann stand er wieder auf.
Seine Zielperson im Blick.
44 »Da«, sagte Mickey und deutete auf den Monitor. »Da ist sie.«
Die körnigen Aufzeichnungen einer Überwachungskamera zeigten Marina an der Kasse der Tankstelle. Sie blickte sich nervös um, reichte ihre Karte über den Tresen und verschwand, kaum dass sie bezahlt hatte, schleunigst wieder nach draußen. Nicht einmal den Kassenbeleg nahm sie mit.
»Sie schien es ziemlich eilig zu haben, daran kann ich mich noch erinnern«, sagte die Frau, die bei Marina abkassiert hatte. Sie war groß und breit. Anni fand, dass sie ein bisschen wie eine Bäuerin aussah. Wahrscheinlich war sie auch eine.
»Das ist alles?«, hakte Anni nach. »Sonst ist Ihnen nichts aufgefallen?«
Die Kassiererin starrte den Monitor an, als versuche sie mit aller Macht, aus den Tiefen ihres Gedächtnisses ein nützliches Detail hervorzuzaubern. Anni hatte dieses Verhalten bei Zeugen schon oft beobachtet. Sie wollten unbedingt helfen, sich eingebunden fühlen. Sie wollten diejenigen sein, die den entscheidenden Hinweis zur Aufklärung des Falls lieferten. Sie wollten etwas beisteuern, das nur ihnen aufgefallen war.
Aber die Frau wusste nichts.
Vermutlich lag es daran, dass es nichts zu wissen gab.
»Was für einen Eindruck hat sie denn auf Sie gemacht?«, wollte Mickey wissen.
»Das sehen Sie doch selbst«, lautete die Antwort. »Sie wollte ganz schnell zahlen, und dann hat sie zugesehen, dass sie wegkam.«
»In welche Richtung ist sie gefahren?«, erkundigte sich Anni. »Colchester oder Braintree?«
Die Frau überlegte. Sie gab sich wirklich Mühe. Irgendwann musste sie bedauernd den Kopf schütteln. »Colchester, glaube ich.«
»Dürften wir uns das Band noch mal ansehen?«, bat Anni.
Die Kassiererin spulte das Video zurück. Erneut beobachteten sie, wie Marina sich in die Schlange vor der Kasse einreihte und ungeduldig mit dem Fuß auf den Boden klopfte. Wie sie sich nervös umsah und irgendwann direkt in die Kamera blickte.
»Stopp!«, rief Mickey.
Die Frau hielt das Band an. Mickey und Anni studierten angestrengt das verschwommene Bild.
»Was macht sie da?«, grübelte
Weitere Kostenlose Bücher