Jäger der Dämmerung
dass mich keine Schuld an Trents Tod trifft.«
Ach nein? Sie vielleicht?
»Die Ehefrau widerrief ihre Aussage, sie …«
»Auch ohne ihre Zeugenaussage gab es genügend Beweise, um ihn zu verurteilen«, unterbrach Erin ihn frostig. »Wir beide wissen, dass Trent sie misshandelte. Der Mann war so schuldig wie nur was, und wir hatten die Chance, ihn zu stoppen.« Aber er wurde freigesprochen.
Und dann starb er.
»Das haben wir.« Der Richter wippte auf seinen Fersen, und für einen Moment sah er nicht so stark oder fit aus wie sonst. Vielmehr wirkte er müde. »Ich schätze, er wurde jetzt aufgehalten, oder nicht?«
»Ja, wurde er wohl«, bestätigte Jude kühl.
Der Tod war eine recht effiziente Art, Leute aufzuhalten.
Harper zog eine Grimasse. »Ich wusste nicht, dass das passieren würde. Ich habe schlicht das einzige Urteil gesprochen, das ich konnte.«
Erin wusste nicht, was sie dem Richter sagen sollte. Schließlich drehte er sich um und schlurfte zu seinem Wagen zurück.
Stumm stand Erin da und sah ihm nach. Harper fühlte sich verantwortlich; das merkte sie deutlich. Hinreichend schuldig, dass er zu ihr kam.
Und wozu? Keiner von ihnen konnte die Zeit zurückdrehen, die Vergangenheit ändern. Zu viel »Was wäre, wenn« kam in der Geschichte vor. Was wäre, wenn Trent verurteilt worden wäre … wenn Sylvia nicht eingeknickt wäre …
Keiner kann zurück.
Das wusste der Richter ebenso gut wie sie.
Harper blieb an seinem Wagen stehen und blickte sich zu ihr um. »Ich weiß, was man über mich redet.«
Bestechlich. Zu viele Kriminelle marschierten nach einem Klaps auf die Finger als freie Menschen aus seinem Gerichtssaal. »Tun Sie das?«, murmelte Erin, der bewusst war, dass er sie hören konnte.
»Ich will sehr wohl, dass die Schweine bezahlen, die das Gesetz brechen. Genau wie Sie.«
Und warum musste es dann keiner? Wie kam es, dass so viele nichts von ihm zu befürchten hatten?
Er öffnete die Fahrertür. »Ich tue mein Bestes, Jerome. Aber das ist eben nicht immer gut genug. Mussten Sie noch nie Entscheidungen fällen, die Sie bereuen?«
Doch. Erin nickte.
»Will der Typ denn gar nicht wieder verschwinden?«, raunte Jude hinter ihr und legte die Arme um sie.
Die Andeutung eines Lächelns zeigte sich auf Harpers Zügen. »Dachte ich mir.« Dann stieg er in seinen Wagen.
Erin lehnte sich an Jude. Wie genoss sie es, dass er ihr Halt bot!
Der BMW-Motor schnurrte leise, und Harper fuhr davon.
»Bist du bereit, diese Stadt hinter dir zu lassen?«, fragte Jude nach einer kleinen Weile, und Erin war froh, dass die beklemmende Stille endete.
»Und ob.« Möglichst bevor noch mehr Besucher aus ihrer Vergangenheit auftauchten. Beispielsweise ein gewisser Detective, den sie lieber meiden wollte. So viel zum Bereuen. Erin schluckte und versuchte, die Gedanken zu verdrängen. »Wir sind dem Mistkerl keinen Deut näher.«
Jude drehte sie zu sich. »Wir kriegen ihn, Süße«, sagte er vollkommen sicher.
Aber wann? Bevor oder nachdem er noch jemanden umbrachte?
»Wir werden ihn kriegen«, wiederholte Jude.
Und wieder einmal zwang Erin sich zu nicken.
Sobald sie in Baton Rouge waren, wollte Erin schnellstens zu ihrer Alltagsroutine zurückfinden. Nur enthielt die jetzt einen unerwarteten zusätzlichen Faktor.
Man hatte ihr einen Babysitter zugeteilt; nun, wohl weniger einen Babysitter als einen einsfünfundneunzig großen, zweihundert Pfund schweren, enervierenden Dämon, der ihr auf Schritt und Tritt folgte.
Erin blickte von ihren Akten zu besagtem Dämon auf.
Zane erwiderte mit fragendem Blick.
In anderthalb Meter Entfernung lag er mehr in ihrem alten Besucherstuhl, als dass er saß.
Und der Mann wollte offenbar bleiben.
Als Jude und sie aus Lillian zurückkamen, hatte Jude diese kleine Bombe platzen lassen.
Bis der Wolf gefangen war, sollte sie rund um die Uhr Personenschutz haben. Einer der Night-Watch-Jäger übernahm die Tagesschichten, während Jude Spuren nachging. Nachts wäre er bei ihr.
Gegen den Nachtsteil hatte Erin nicht das Geringste einzuwenden. Ja, diese Regelung war ihr nur recht. Mehr als recht.
Aber Zane mit seinem ewigen leisen Vor-sich-hin-Gesumme war weniger ihr Ding.
Jude hatte ihr sogar die menschliche Frau als Beschützerin zugeteilt. Menschlich!
Zu ihrem Schutz?
Das kam einer Beleidigung gleich.
Eine der Assistentinnen kam ins Büro. »Erin, hier ist das Protokoll zum Parsons-Prozess …«
Ein bewundernder Pfiff ertönte, und Amy machte tatsächlich einen
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