Jäger der Macht: Roman (German Edition)
passte. Er nahm seine künstliche Nase ab und holte eine dreieckige Stoffkappe aus dem Beutel, den er neben die Mauer geworfen hatte.
Er setzte sie auf. Man musste immer die richtige Kopfbedeckung dabeihaben; das war der Schlüssel zum Erfolg. Nachdem er seine Hose ausgezogen hatte und darunter eine weitere zum Vorschein kam, die zur Uniformjacke passte, band er sich ein Halfter mit einem Revolver um. Dann löste er die Blase auf, rannte um die Hausecke und auf die Geleise zu. Er traf auf den Hauptmann, der gerade seine Männer anbrüllte und neu aufstellte. In der Nähe stritten einige Adlige miteinander.
Die Fracht wurde nicht wieder entladen. Das war gut. Wayne hatte befürchtet, dass die Fahrt nach all dieser Aufregung nicht mehr stattfinden würde, doch Wax hatte ihm widersprochen. Er hatte gesagt, die Tekiels hätten eine so große Sache aus diesem Unausraubbaren gemacht, dass eine kleine Störung sie nicht aufhalten würde.
Narren, dachte Wayne und schüttelte den Kopf. Farnsward war mit dieser Entscheidung nicht einverstanden. Er arbeitete nun schon seit zehn Jahren in der privaten Wachmannschaft des Hauses Tekiel, auch wenn er die meiste Zeit bei seinem chronisch kranken Herrn im Äußeren Land verbracht hatte. Farnsward hatte eine Menge gesehen und dabei gelernt, dass es gewisse Gründe geben konnte, ein Risiko einzugehen: wenn man ein Leben retten, eine Schlacht gewinnen oder den Namen eines Hauses schützen wollte. Aber wer würde ein Risiko eingehen, nur weil er es vorher angekündigt hatte? Das war eine Dummheit.
Er lief auf den Hauptmann zu, mit dem er noch vorhin gesprochen hatte, und salutierte vor ihm. » Herr«, sagte er, » ich bin Farnsward Dubbs. Großherr Evenstrom Tekiel hat gesagt, ich solle mich bei Ihnen melden.« Er sprach mit dem Akzent des Äußeren Landes, in dem eine Spur von Aristokratie lag, aufgenommen durch den langen und engen Umgang mit dem Adel.
Der Mann wirkte entnervt. » Also gut. Ich glaube, wir können jeden Mann gebrauchen.«
» Entschuldigung, Herr«, sagte Wayne und beugte sich zu ihm vor. » Manchmal ist Großherr Evenstrom sehr reizbar. Ich kenne das schon. Es ist nicht das erste Mal, dass er mich losgeschickt hat, um jemandem zu helfen, der es gar nicht nötig hat. Bren und ich werden Ihnen keinesfalls in die Quere kommen.«
» Bren?«
» Vorhin war er noch dicht hinter mir«, sagte Wayne, drehte sich um und schaute verwirrt drein.
Wax kam aus dem Bahnhofsgebäude hervor; er trug eine Uniform, die der von Wayne glich. Überdies hatte er einen falschen Bauch, in dem er einige Dinge verbarg, die er heute Nacht brauchen würde.
» Da ist er ja«, sagte Wayne. » Er ist ein dummer Bengel, Herr. Sein Vater hat ihm diese Stelle besorgt. Sie können seinen Stahl die ganze Nacht lang gegen einen Feuerstein hauen und bekommen doch keinen Funken aus ihm heraus, wenn Sie wissen, was ich meine.«
» Bleibt hier und bewacht diese Stellung«, sagte der Hauptmann. » Lasst niemanden an den Waggon heran, wer auch immer es sein mag.« Er lief zu den Adligen hinüber.
» Hallo, Wax«, sagte Wayne und tippte zum Gruß an seinen Hut. » Bereit, geschluckt zu werden?«
Waxillium warf einen Blick zurück auf das Bahnhofsgebäude. Die Menge zerstreute sich noch immer. Taschentücher und Hüte lagen überall auf dem Boden verstreut. » Du musst dafür sorgen, dass der Zug tatsächlich fährt, Wayne. Was auch immer passiert, er muss heute fahren.«
» Ich dachte, du hast gesagt, es wäre ihnen zu peinlich, wenn er nicht fährt.«
» Was den ersten Teil angeht, hast du Recht, aber ich habe keine Ahnung, was den zweiten Teil betrifft, der gleich kommt. Sorg dafür, Wayne.«
» Klar, Kumpel.« Wayne sah auf seine Uhr. » Sie ist spät dran …«
Plötzlich peitschten mehrere Schüsse durch die Luft. Obwohl Wayne sie erwartet hatte, zuckte er doch zusammen. Die Wachen um ihn herum schrien auf, brüllten und suchten nach dem Ursprung der Schüsse. Waxillium brach schreiend zusammen; Blut spritzte aus seiner Schulter. Wayne fing ihn auf, während ein anderer Wachmann Blitze auf dem Dach des Bahnhofs bemerkte.
Die Wachen eröffneten das Feuer, als Wayne Waxillium aus dem Weg schleifte. Er sah sich um und schob Waxillium wie in übergroßer Angst durch die offene Tür des Waggons. Einige Wächter blickten ihn an, aber niemand sagte ein Wort. Waxilliums Augen starrten tot in die Luft. Die anderen Wachen hatten sicherlich auch schon Kameraden an die Banditen oder bei Hausscharmützeln
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