Jäger der Macht: Roman (German Edition)
die Möglichkeit verschaffen, beeindruckend zu wirken. Kennen Sie irgendwelche besonders klugen Sprichwörter oder Geschichten, die uns als Ausgangspunkt dienen könnten?«
» Ich habe einem Hund einmal aus Versehen den Schwanz abgeschossen«, sagte Waxillium leichthin. » Das ist eine ziemlich lustige Geschichte.«
» Das Schießen auf Hunde ist wohl kaum ein angemessenes Gesprächsthema bei Tisch«, sagte Steris.
» Ich weiß. Vor allem, weil ich auf seine Hoden gezielt hatte.«
Marasi hätte beinahe ihre Suppe über den Tisch gespuckt.
» Großherr Ladrian!«, rief Steris, doch ihren Vater schien es zu amüsieren.
» Ich dachte, Sie hätten gesagt, dass ich Sie nicht mehr schockieren könne«, sagte er zu Steris. » Ich wollte diese Behauptung lediglich auf die Probe stellen, meine Liebe.«
» Sie werden dieses bäuerliche Fehlen jeglichen Anstandes doch irgendwann mal überwinden, oder?«
Er rührte in seiner Suppe herum, weil er sichergehen wollte, dass Wayne nichts darin versteckt hatte. Ich hoffe, er hat die Patronenhülse vorher ausgespült. » Vermutlich wird mir das irgendwann gelingen«, sagte er und hob den Löffel an die Lippen. Die Suppe war gut, aber zu kalt. » Es ist lustig, dass ich im Rauland als höchst kultiviert galt – sogar so sehr, dass man mich für überheblich gehalten hat.«
» Wenn man im Rauland jemanden als kultiviert bezeichnet«, sagte Großherr Harms und hob den Finger, » dann ist das so, als würde man sagen, ein Ziegel sei im Vergleich zu anderen Baumaterialien weich – bevor man ihn einem Mann ins Gesicht wirft.«
» Vater!«, sagte Steris. Sie warf Waxillium einen bösen Blick zu, als wäre diese Bemerkung seine Schuld.
» Das war ein vollkommen gerechtfertigter Vergleich«, sagte Großherr Harms.
» Wir sprechen nie mehr darüber, Menschen mit Ziegelsteinen zu bewerfen, und auch nicht über das Schießen, egal auf welches Ziel!«
» Also gut, Cousine«, sagte Marasi. » Großherr Ladrian, ich habe einmal gehört, dass Sie einem Mann das eigene Messer entgegengeschleudert und ihn ins Auge getroffen haben. Ist das eine wahre Geschichte?«
» Es war eigentlich Waynes Messer«, sagte Waxillium und zögerte. » Das mit dem Auge war ein Unfall. Damals hatte ich ebenfalls auf die Hoden gezielt.«
» Großherr Ladrian!«, sagte Steris, die dunkelrot anlief.
» Ich weiß. Ich habe das Ziel ziemlich weit verfehlt. Ich bin schlecht im Messerwerfen.«
Steris sah die beiden an und wurde noch röter, als sie bemerkte, dass ihr Vater kicherte. Sie versuchte ihre Verärgerung hinter der Serviette zu verbergen. Marasi hielt ihrem Blick mit unschuldigem Gleichmut stand. » Keine Ziegel«, sagte Marasi, » und keine Revolver. Ich habe das Gespräch ganz nach deinen Vorgaben geführt.«
Steris stand auf. » Ich gehe zum Waschraum, damit ihr drei euch wieder beruhigen könnt.«
Sie stapfte davon, während Waxillium ein stechendes Schuldgefühl verspürte. Steris war zwar steif, schien aber ehrlich und aufrichtig zu sein. Sie hatte keinen Spott verdient. Allerdings war es sehr schwer, sie nicht zu provozieren.
Großherr Harms räusperte sich. » Das war unangebracht, Kind«, sagte er zu Marasi. » Bring mich nicht dazu, dass ich es bedauern muss, dir versprochen zu haben, dich zu diesen Festlichkeiten mitzunehmen.«
» Machen Sie sie nicht dafür verantwortlich, Herr«, sagte Waxillium. » Ich bin hier der Missetäter. Wenn Steris zurückkehrt, werde ich mich angemessen bei ihr entschuldigen und meine Zunge für den Rest des Abends im Zaum halten. Ich hätte es mir nicht erlauben dürfen, so weit zu gehen.«
Harms nickte und seufzte. » Ich gebe zu, dass es mich auch manchmal dazu reizt. Sie ist genau wie ihre Mutter.« Er schenkte Waxillium einen wehleidigen Blick.
» Ich verstehe.«
» Das ist halt unser Los, mein Sohn«, meinte Großherr Harms und erhob sich. » Der Herr eines Hauses zu sein, erfordert gewisse Opfer. Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen wollen – ich sehe gerade Großherrn Alernath drüben an der Bar und möchte etwas Stärkeres mit ihm trinken, bevor der Hauptgang serviert wird. Wenn ich nicht gehe, bevor Steris zurückkommt, wird sie mich dazu nötigen hierzubleiben. Ich bin gleich wieder da.« Er nickte den beiden zu und schlenderte zu einer Gruppe höherer Tische an der Seite des Saales neben einer offenen Bar.
Waxillium schaute ihm nach und rollte dabei Waynes Notiz zwischen seinen Fingern hin und her. Bisher hatte er geglaubt, Harms habe
Weitere Kostenlose Bücher