Jäger der Macht: Roman (German Edition)
Ansonsten würde ich nämlich nicht mehr in der Lage sein, mich selbst zu heilen. Verdammt, ich speichere ja schon so viel wie möglich. Am Ende des Tages werde ich kaum mehr genug haben, um auch nur einen Kratzer verheilen zu lassen.«
» Aber Miles …«, sagte Marasi.
» Er besitzt eine beinahe unbeschränkte Heilkraft«, sagte Waxillium. » Der Mann ist so gut wie unsterblich. Ich habe gehört, dass er einmal einen Schuss mitten ins Gesicht bekommen hat und einfach wegspaziert ist. Draußen im Rauland haben wir zusammengearbeitet. Er war der Gesetzeshüter drüben in Treumadil. Wir waren zu dritt und hatten während der guten Jahre so etwas wie eine Allianz gebildet: Miles, ich und Jon Totfinger aus Ferndorest.«
» Miles mag mich nicht besonders«, bemerkte Wayne. » Na ja … eigentlich mag mich keiner von denen.«
» Miles hat gute Arbeit geleistet«, fuhr Waxillium fort. » Allerdings war er voreingenommen und hart. Wir haben einander respektiert, aber hauptsächlich aus der Ferne. Ich würde nicht sagen, dass wir Freunde waren. Aber draußen im Rauland ist jeder, der für die Gerechtigkeit einsteht, ein Verbündeter.«
» Das ist das erste Gesetz des Raulandes«, sagte Wayne. » Je einsamer du bist, desto mehr brauchst du einen Mann an deiner Seite, dem du vertrauen kannst.«
» Selbst wenn seine Methoden weit über das hinausgehen, was du selbst tun würdest«, fügte Waxillium hinzu.
» Das klingt mir aber nicht nach einem Mann, der plötzlich das Leben eines Verbrechers führt«, sagte Marasi.
» Nein«, meinte Waxillium leise. » Das stimmt. Aber ich war mir fast sicher, dass er hinter dieser Maske auf der Hochzeitsfeier steckte, und die Zigarren, die sich in der Kiste befanden, sind seine Lieblingsmarke. Ich bin mir zwar nicht ganz sicher, dass er es war, aber …«
» Aber Sie glauben es.«
Waxillium nickte. Der Einträchtige möge uns helfen; ja, das glaube ich. Die Gesetzeshüter waren eine ganz spezielle Art, gleichsam eine besondere Legierung. Es gab einen Kodex. Gib niemals auf, lass dich niemals verführen. Die tägliche Arbeit mit Verbrechern konnte einen Menschen verändern. Man sah die Dinge allmählich so, wie sie selbst sie sahen. Und man dachte bald genauso wie sie.
Alle wussten, dass diese Arbeit einen verbiegen konnte, wenn man nicht aufpasste. Man redete nicht darüber, und man gab der Versuchung nicht nach. Zumindest wurde das von einem erwartet.
» Ich bin nicht überrascht«, sagte Wayne. » Hast du je gehört, wie er über die Menschen in Elantel gesprochen hat, Wax? Miles ist ein brutaler Kerl.«
» Ja«, sagte Waxillium leise. » Ich hatte gehofft, dass er sich ganz darauf konzentrieren werde, in seiner Stadt Ordnung zu halten, und seine Dämonen schlafen ließe.«
Der Zug hatte nun die Vororte hinter sich gelassen und fuhr ins Äußere Land, jenen breiten Ring aus Obstgärten, Feldern und Weiden, die Elantel ernährten. Die Häuserblocks wurden von weiten Flächen aus Braun und Grün abgelöst, und die Kanäle, die das Land durchschnitten, schimmerten blau.
» Ändert das die Sachlage?«, fragte Marasi.
» Ja«, sagte Waxillium. » Das bedeutet, dass all das noch gefährlicher ist, als ich geglaubt habe.«
» Wie angenehm.«
» Ich habe darüber nachgedacht, wie ich Sie an einen sicheren Ort schicken kann«, sagte Waxillium.
» Wollen Sie mich loswerden?«, fragte sie. Sie riss die Augen auf, um untröstlich zu wirken, und ihre Stimme klang weich und traurig, als ob ein Verrat an ihr verübt worden sei. Er glaubte fast, dass sie von Wayne gelernt hatte. » Ich dachte, ich bin Ihnen eine Hilfe.«
» Das sind Sie auch«, sagte Waxillium. » Aber Sie haben mit dem, was wir tun, nur wenig praktische Erfahrung.«
» Irgendwie muss eine Frau doch Erfahrung sammeln«, sagte sie und hob den Kopf. » Schließlich habe ich schon eine Geiselnahme und einen Mordanschlag überlebt.«
Die Türen des Bahnwaggons klapperten, als der Zug um eine Kurve fuhr. » Ja, aber die Gegenwart eines Zwillingsgeborenen auf der anderen Seite ändert alles, Herrin Marasi. Wenn es zum Kampf kommen sollte, werde ich Miles nicht besiegen können. Er ist geschickt, mächtig und entschlossen. Ich wünschte, Sie befänden sich an einem sicheren Ort.«
» Und wo?«, fragte sie. » Eines Ihrer Häuser wäre zu offensichtlich, und eins meines Vaters ebenso. Ich kann mich doch nicht im Untergrund der Stadt verstecken; ich bezweifle zutiefst, dass ich dort nicht auffallen würde. Daher bin ich der
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