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Jäger der Nacht

Jäger der Nacht

Titel: Jäger der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wallace Hamilton
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machen, und hielt die Tüte Dennis entgegen, der die Farbe reinsprühte – ein leichtes, zischendes Geräusch. Mit beiden Händen hielt er sich die Tüte über Mund und Nase und begann, die Dämpfe tief einzuatmen. Vor ihm auf dem Grabmal saßen die drei anderen Jungen mit ihren Tüten vorm Gesicht. Die Geräusche des Inhalierens und das Rauschen von Zweigen über ihm war alles, was Kevin in der finsteren Stille hören konnte.
     
    Kevin fühlte sich allmählich benommen im Kopf, und seinen Körper durchzog eine wohlige Mattigkeit. Er saß neben Joe auf dem Grabmal. Schwindlig wie ihm war, glaubte Kevin plötzlich zu fühlen, wie sich die Grabplatte unter ihm bewegte. Aber er wußte, daß dieser Gedanke verrückt war. Er schnüffelte noch etwas mehr, und die ganze schemenhafte Szenerie vor ihm verschwamm sacht vor seinen Augen. Er konzentrierte seinen Blick auf den großen Grabstein mit dem Engel oben drauf. Das war sein Fixpunkt für die Wirklichkeit. Er war sich ganz sicher, daß dieser große Stein nicht verschwinden konnte.
    Mit einem tiefen Seufzer legte sich Joe auf die Grabplatte zurück.
    «Leute, alles dreht sich und dreht sich und dreht sich!» Von einer fernen Straßenlaterne fiel ein schwaches Licht auf Joes Gesicht, und Kevin war überrascht von dessen Schönheit; weiches, lebendiges Fleisch, das sich von dem Stein abhob. Joes Körper, dicht neben Kevin, war schlank, aber das Spiel von Schatten und Licht verwusch die Umrisse unter den Jeans, die Kevins Begierde erweckt hatten. Kevin rückte näher.
    Dennis begann zu kichern – ein schauriger Ton in der Dunkelheit. «Hey ihr, wißt ihr, was dieser verrückte Freier gestern von mir gemacht haben wollte?»
    «Mach schon, sag’s uns», nuschelte Rico.
    «Also, er nahm mich mit in seine Wohnung und wollte meinen nackten Arsch sehen. Also hab’ ich ihm meinen nackten Arsch gezeigt. Zur Hölle, für dreißig tu ich alles! Und er hat sich auch ausgezogen. Und dann hat er alle Lichter ausgemacht. Es war so finster wie hier. Und dann hat er ‘ne Kerze angezündet... eine runzlige Kerze. Er liegt auf ‘nem Vorleger, klar? Und er läßt mich die Kerze nehmen und mich auf ihn draufsetzen. Nun, sagte er, laß Wachs auf meine Brustwarzen tropfen. Leute, war das ‘ne ausgeflippte Szene, wie ich’s erst auf die eine Seite tropfen ließ und dann auf die andere, und die Kerze flackerte und so, und er stöhnte. Ich sitz’ auf seinem Bauch, kapiert? Und plötzlich spür’ ich so’n nasses Zeug auf meinem Rücken. Der alte Hurenbock hat mich vollgespritzt! Schrill, was? Aber zum Teufel, er hat die dreißig gezahlt.»
    Kevin dachte an Harry, an die Zärtlichkeit und Korrektheit, als sie zusammen im Hotel waren. Und er dachte an Dennis und sein
    «für dreißig tu ich alles». Alles? Er versuchte sich vorzustellen, Harry irgendwie weh zu tun, und er wußte, daß er das nicht könnte. Nicht für dreißig. Nicht für alles.
    Aber der Mann mit der Brille? Ha! Nur ‘ne Kerze! Eine Bratpfanne, zum Beispiel. Oder ‘ne Wanne voll siedendem Öl. Und er würde sie noch über seinen Kopf halten, kochend heiß, und dann würde er es tropfen lassen, würde zusehen, wie es auf seiner Brust zischte, und er würde ihn vor Schmerzen schreien hören. Das ist es, was er machen würde. Nur jetzt konnte er es nicht machen, weil ihm schwindlig war. Die ganze Welt schien sich vor seinen Augen aufzulösen. Er stülpte die Tüte wieder auf sein Gesicht.
    Der Engel. Der Engel mit den ausgebreiteten Flügeln oben auf dem riesigen Grabstein. Er konzentrierte sich auf diesen Fixpunkt der Wirklichkeit. Aber die Figur begann in der Dunkelheit zu glühen, erst rot, dann blau, dann lila. Sie verwandelte sich von einem Engel in einen großen Vogel, dessen Flügel unnatürlich in ihrer steinernen Starrheit aussahen. Ihm fielen Blutsauger ein, und er nahm einen tiefen Zug aus der Tüte.
    Er sah runter auf Joes Körper neben sich. Er schien zu leuchten, genauso wie der Engel leuchtete. Aber die Farben waren orange und gelb, strahlend in der Dunkelheit. Dann bekamen sie einen warmen, fleischfarbenen Schein. Er wollte hinlangen und dieses warme Etwas berühren, nur Zentimeter entfernt. Aber nein. Wenn er das täte...
    Er hörte Ricos Stimme. Sie schien von weit her zu kommen. «Ich könnte so ‘nen Scheiß nicht machen, mich von Typen mitnehmen lassen und überhaupt.»
    Dennis: «Ach was, es macht Spaß, gewichst zu werden und dafür auch noch bezahlt zu werden.»
     
    Joe rührte sich. «Ich hab’s

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