Jäger der Nacht
Hurensohn tut, ist, in den mistigen Brunnen zu pissen!»
Kevin sah sich die Statue genauer an. Die Gestalt sah irgendwie wie Mr. Graham aus, sein Geschichtslehrer, nur größer, und er erinnerte sich an die Worte der Unabhängigkeitserklärung, die Mr. Graham der Klasse laut vorgelesen hatte: «Folgende Wahrheiten erachten wir als selbstverständlich...»
«‘türlich mußte deine Augen offen halten. Manchmal gibt’s Bullen in Zivil. Die wollen dich in irgendwas reinziehen, und dann – bum! –nehmen sie dich hops. Diese Schweine.» Der junge Mann gab plötzlich ein kurzes, bellendes Gelächter von sich. «Aber manchmal funktionierts auch anders rum. Jawohl.» Seine Stimme wurde leise und verschwörerisch. «Da gab es diese Tunte, weißte, die immer in den Büschen da drüben anschaffte. Sie tat nie was anderes, als den Leuten einen zu blasen. Mochte noch nicht mal, gefickt zu werden. Nur blasen. Und sie hat’s auch nie runtergeschluckt. Spuckte es nur in ihr Taschentuch, wenn sie fertig war. Also, sei’s drum...» Und nun kostete der junge Mann die Geschichte voll aus. «Diese zwei zivilen Bullenschweine kommen vorbei, und sie entdecken Theodora – so hieß sie – im Gebüsch. Sie denken sich, die können sie mit Leichtigkeit hops nehmen, von wegen Frauenkleidern und so. Sie machen sich also an sie ran und ziehen die Nummer ab, daß sie von außerhalb kommen und einen runtergeholt brauchen und all so’n Scheiß.
Und nun Theodora! Da steht sie also nun mit diesen zwei falschen Fuffzigern, und sie kann... es... kaum erwarten. Sie werden sich also einig – dreißig für beide zusammen. Genau in diesem Augenblick, verstehste, hätten die Schweine sie festnehmen sollen... bevor irgendetwas ablief. Denn bei ‘ner Verhaftung geht keiner davon aus, daß vorher was passiert ist. Aber die Schweine... Theodora hat sie echt heiß gemacht, und sie wollen... was zum Teufel, wer weiß schon, was in denen vorging ?... und Theodora geht auf die Knie, pumpt einen leer, spuckt es in ihr Taschentuch, dann saugt sie den anderen leer, und spuckt es auch in ihr Taschentuch. Und dann! Glückselig wie ‘n besoffener Stiesel nehmen sie sie fest! Nix gezahlt und gar nichts. Und diese Tunte dreht durch, völlig durch!
Wie dem auch sei, Theodora nimmt sich ‘nen Anwalt, dieser Anwalt schnappt sich das Taschentuch und schickt es ins Labor ein.» Der junge Mann brach vor Lachen fast zusammen und konnte die nächsten Sätze nur nach Luft schnappend ausstoßen: «Und so geht’s dann aus... die Bullen vom Amt suspendiert... weil sie sich von ‘nem Mann einen haben blasen lassen... und die waren verheiratet und so. Und Theodora... die ist in der nächsten Nacht wieder in den Büschen und hat ‘nen sauberes Taschentuch eingesteckt!»
Der Ekel, den Kevin bei der Geschichte gespürt hatte, wie sie so selbstverständlich erzählt wurde, schwand, und er lachte genauso kräftig wie der junge Mann, während sie einander auf den Rücken klopften und an diese verdammten Schweine dachten. So hatte er noch nie gelacht. Aber nun, warum sollte ein Kerl nicht so lachen, wenn er unter seinesgleichen und in seinem Revier war?
Das Lachen des jungen Mannes verebbte, und sein Gesicht wurde ernst. «Du bist ‘n verteufelt hübscher Junge, weißt du das?» Kevin zuckte mit den Achseln, den Blick auf die Erde gerichtet. Dann dachte er an Sam, richtete sich auf und sah dem jungen Mann in die Augen. «Danke.»
Zum ersten Mal schien der junge Mann nun zu zögern. Dann: «Wülste mit mir rummachen? Kostet dich nischt.»
Nun war es an Kevin zu zögern; nach dem Abend mit Sam war er ausgepumpt.
Die Stimme des jungen Mannes wurde sanfter. «Ich hab’ gerade ‘nen Zwanziger gemacht. Kannsten haben, wenn du willst.»
Kaum dessen bewußt, was er da tat, legte Kevin dem jungen Mann beide Hände auf die Schultern, beugte sich vor und küßte ihn auf die Lippen. «Behalt ihn. Ich muß nach Hause.»
Kevin verließ den Platz.
Miss Gotter, die Sozialarbeiterin, saß in Jakes und Millies Wohnzimmer auf der Couch – ihre Handtasche im Schoß, ihr Haar straff zurückgekämmt, so, wie sie es auch im Büro des Sozialamtes getragen hatte; die Narbe über einer Augenbraue, die ihr einen lustigen Ausdruck des Erstaunens gab, selbst dann, wenn sie über die einfachsten Dinge sprach.
Jake saß in seinem großen Sessel vor dem Fernseher. Millie saß am anderen Ende der Couch, das Gesicht Miss Gotter zugewandt. Kevin und Dennis, anständig angezogen und
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