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Jäger der Nacht

Jäger der Nacht

Titel: Jäger der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wallace Hamilton
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Arrangements eines schönen Tages überdrüssig zu werden, das Ganze zu beenden und Kevin eine Fahrkarte nach Hause zu geben? Warum konnte Bruce so unbedingt daran gelegen sein, ihn bei sich zu behalten, ihn in seiner Wohnung aufzunehmen, ihn durchzufüttern, ihn einzukleiden und dafür zu sorgen, daß er zur Schule ging? Sicher, Bruce hatte Geld, aber es ging um viel mehr als bloß um Geld, und darüber hinaus könnte er durchaus andere Möglichkeiten haben, sein Geld auszugeben.
    Kevin dachte lange darüber in der Dunkelheit nach. Was auch immer er und Bruce einander bedeuteten... es war anders als mit den Crimmins, anders als mit Jake und Millie. Für sie, für das Sozialamt, war er nur ein Kind, das es irgendwie zu versorgen galt. Aber für Bruce war er einfach ein Mensch, und er würde Verantwortungen übernehmen, die er nie zuvor gehabt hatte. Er mußte alles daran setzen, daß Bruce ihn bei sich behalten wollte. Und das war in der Tat ein reichlich schwerwiegender Gedanke.
    Kevin strich mit einer Hand über seinen Körper. Er kannte die Macht dieses Körpers, und er war ohne Einschränkung bereit, ihn bis zum Äußersten einzusetzen. Er brauchte Bruce so, wie Bruce ihn brauchte, und er würde dafür sorgen, daß sich Bruce dessen stets bewußt war. Aber Sex war nicht unbedingt tagesfüllend. Was sonst hatte er noch zu bieten? Aus seinem Stricherdasein konnte er nichts ableiten; die Männer waren wieder verschwunden, bevor er ihre Namen kannte. Mr. und Mrs. Crimmins waren so damit beschäftigt, ohne Aufregung alt zu werden, daß man ihre Signale einer Beziehung kaum empfangen konnte. Und, soweit es Kevin betraf, taten Jake und Millie nichts anderes, als sich anzuschreien. Was konnte ihm irgend jemand von denen schon über Bruce sagen? Er hatte nichts außer seinen eigenen Einsichten. Aber sie überkamen ihn, wenn auch nur in zusammenhanglosen Bildern und versteckten Hinweisen.
    Er dachte daran, wie er auf dem Diwan gesessen hatte und sich die Helligkeit seiner Haut von dem dunkelbraunen Holz und der Schwärze der Polster abgehoben hatte. Er erinnerte sich an die Traurigkeit in Bruces Augen, als Bruces Blick über den verwaisten Kanal geschweift war und er davon gesprochen hatte, der Letzte der Linie zu sein. Seine Lippen schienen ausgedörrt zu sein, bis Kevin ihn geküßt hatte, und seine Stimme brüchig, wenn er mit Kellnern redete – sogar Gerald und George gegenüber. Sogar Amory gegenüber. Aber die Stimme wurde sanft, wenn er sich mit Kevin unterhielt.
    Er hörte Bruce fast nie lachen. Manchmal ein trockenes Kichern und ein frostiges Lächeln. Aber im Zoo, am Gehege der Otter, hatte Bruce gelacht. Noch nicht mal die Kremtorten hatten ihn zum Lachen gebracht, aber die Otter hatten es. Kevin hatte die Otter sorgfältig beobachtet.
    Größtenteils dachte er über die Lichter nach, die rauschhafte Farbe auf dem Friedhof und die Raketen, die in seinem Kopf explodierten, wenn er seinen Orgasmus hatte. Bruce hatte den ganzen nördlichen Himmel mit diesen Farben bedeckt gesehen.

21. KAPITEL
     
    Um vier Uhr am Montagnachmittag betrat Bruce die Büroräume der Anwälte Simpson, Caldwell und Wiggs in der State Street. Die Kanzlei war ihm vertraut, gediegen und Ruhe ausstrahlend, so, wie sich eben ein Kleinbürger solch heil’ge Hallen vorstellt. Er hatte Gerald oft genug in dessen Büro abgeholt und immer bewundert, wie gut er sich dieser Umgebung angepaßt hatte.
    George und Geralds Wohnung stand im lebhaften Gegensatz dazu, derart in Art Deco schwelgend, daß es Bruce an den Vorraum einer Herrentoilette in der Radio City Music Hall erinnerte. Aber in der Kanzlei hielt sich Gerald bedeckt. Trotz all der eleganten Wandregale und Kopiergeräte konnte sich Bruce des Verdachts nicht erwehren, daß das tatsächliche Geschäft der Firma mit dem Federkiel getätigt wurde.
    Die junge Dame am Empfangstisch lächelte ihn an. «Hallo, Mr. Andrews. Mr. Sanderson telefoniert gerade, aber ich denke, daß er in ein paar Minuten frei sein wird. Nehmen Sie bitte Platz.»
    «Danke.» Bruce machte es sich bequem und zündete eine Zigarette an. Er bemühte sich, sich seiner Umgebung gleichmütig anzupassen, aber er spürte eine gereizte Spannung. Was privat gewesen war, intim, sogar zu Scherzen Anlaß gegeben hatte, sollte nun an die Öffentlichkeit getragen werden. Er war dabei, offizielle Schritte zu unternehmen. Wie er so in der Kanzlei saß, stellte er fest, daß er sich der Folgen dieses Schrittes nur unklar bewußt war. Zum

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