Jäger der Schatten
Ich gehe in diese Schule und ich bin nicht taub. Ich habe gehört, dass Victoria und Bryce miteinander rumgemacht haben und dass Piper es auf Jamie Kips Party herausgefunden hat.«
»Wirklich? Victoria und Bryce? Sie waren zusammen?« In den Akten hatte sie nichts darüber gefunden, und Victoria hatte auch keine besondere Rolle in Bryces Erinnerungen gespielt.
»Ja, und Piper war stocksauer deswegen.« Es war klar, dass Paul gelogen hatte, als er behauptete, er würde sich nichts aus Gerüchten machen. Er war in ein gelbes Licht getaucht, das warm und glühend leuchtete und seine Gefühle preisgab.
»Aber warum kümmerte Piper das?«
»Piper und Bryce waren ein Paar.« Paul zuckte die Schultern. »Ich dachte, jeder wüsste das.«
Also darüber hatten die Mädchen auf der Party gestritten, als Piper so aufgebracht ausgesehen hatte. Das war der unterdrückte Hass, nach dem Demin gesucht hatte, das Gift im Apfel. Jetzt erkannte sie die dunklen, zerstörerischen Gefühle, die Leben kosten konnten, weil sie Leute dazu brachten, ihre besten Freunde zu quälen und zu verbrennen, als wären sie nichts anderes als ein Stapel Holzscheite. Als Venatorin hatte sie schon oft die bitteren Konsequenzen gesehen, die Wut und Eifersucht für scheinbar innige Freundschaften haben konnten. Piper und Victoria hatten denselben Dunklen Engel geliebt.
Piper und Bryce waren zusammen gewesen, aber Victoria hatte sich zwischen sie gestellt. Die Eifersucht hatte die Freundinnen gegeneinander aufgebracht. Demin glaubte nicht, dass Bryce wusste, was Piper getan hatte. Aber er musste zumindest einen Verdacht haben, der stark genug war, dass er sich schuldig fühlte. Piper hatte auf Jamie Kips Party herausgefunden, dass ihre beste Freundin sie betrog.
Endlich hatte Demin das, wonach sie gesucht hatte: ein Motiv.
34
Der Bund
P iper Crandall funkelte sie über den Tisch des Verhörraums hinweg an. Die Lennox-Brüder hatten die Verdächtige am Montagnachmittag aus der Schule geholt und sie für eine Befragung in das Hauptquartier der Venatoren gebracht.
» Du! «, schimpfte sie, als Demin den fensterlosen Raum betrat. »Was willst du von mir? Worum geht’s hier eigentlich? Sie sagten, ich muss mitkommen, um irgendwelche Fragen zu beantworten. Du bist eine verdammte Venatorin? Was soll das?«
»Ich möchte mit dir über Victoria Taylor reden«, erklärte Demin ruhig. Sie hatte die modepüppchenartige Schulmädchenkleidung abgelegt und war im typischen Venatorenschwarz gekleidet. Zum ersten Mal seit sie in New York angekommen war, fühlte sich Demin wieder wie sie selbst. Es war eine Erleichterung, sich nicht mehr tarnen zu müssen. Sie hatte das Wochenende damit verbracht, die Puzzleteile ihres Falls zusammenzusetzen. Sie war fertig.
»Was ist mit Victoria?«, fragte Piper nervös.
Demin wandte sich dem Fernsehbildschirm an der Wand zu und drückte auf Play . »Hast du das Video gesehen?«, fragte sie.
»Sicher, es kursiert im Internet. Irgendein Vampirfilm von den Verschwörern.«
»Nein, das ist es nicht. Es ist echt. Und das Mädchen in dem Video ist Victoria. Hier ist noch ein anderes. Kommt dir das bekannt vor?« Demin spielte das Video ab, in dem Victoria verbrannte. Sie versuchte, nicht zurückzuweichen. Es war schlimm, sich das ansehen zu müssen.
Alle Farbe wich aus Pipers Gesicht. Sie presste die Hände vor die Augen. »Oh mein Gott! Oh mein Gott! Ist si e …? Oh mein Got t … ist das wirklic h … nei n … nein. Nein, Victoria, nein. Sie ist doch in der Schwei z … Was ist passiert? Oh mein Gott!«
Demin unterbrach sie. Das Mädchen war eine gute Schauspielerin. »In der Nacht auf Jamie Kips Party hast du herausgefunden, dass sich deine beste Freundin mit deinem Exfreund trifft.«
»Wovon redest du?«, schluchzte Piper. Ihre Augen und ihre Nase waren rot. »Victoria ist tot? Was ist passiert? Wer hat ihr das angetan?«
Für einen Moment verspürte Demin Mitleid, aber sie hatte das alles schon einmal erleb t – Verdächtige, die ihre Tat nicht zugeben konnten, die ehrlich glaubten, dass sie ihren Lieben niemals etwas angetan hatten.
Sie setzte ihre Befragung erbarmungslos fort. »Victoria hat sich zwischen euch beide gestellt und du wolltest es ihr heimzahlen. Du wolltest ihren Tod und hast das Ganze mit einer Drohung getarnt, um den wahren Grund zu verbergen. Um dein Motiv zu verschleiern.«
Als sie sich noch einmal Pipers Akte angesehen hatte, hatte Demin herausgefunden, dass Piper ein Junior-Mitglied der
Weitere Kostenlose Bücher