Jäger des verlorenen Schatzes
immer«, erwiderte Indy. »Manchmal kann Optimismus tödlich sein.«
Brody war verstummt und ging im Zimmer herum, blätterte hier und dort in einem Buch. Schließlich sah er Indy ernst an.
»Ich möchte, daß du vorsichtig bist, Indy.«
»Ich bin immer vorsichtig.«
»Du kannst ziemlich unbekümmert sein. Das weiß ich so gut wie du selbst. Aber die Bundeslade hat keine Ähnlichkeit mit irgendwelchen Dingen, auf die du es früher abgesehen hattest. Sie ist unendlich bedeutsamer.
Viel gefährlicher.« Brody klappte ein Buch zu, als wolle er seine Worte damit unterstreichen. »Ich bin kein Skeptiker wie diese Herren Offiziere - ich glaube daran, daß die Lade Geheimnisse birgt. Gefährliche Geheimnisse, will mir scheinen.«
Indy wollte schon etwas Spöttisches darauf sagen, weil ihn der melodramatische Unterton in der Stimme seines Freundes dazu reizte, aber er sah an Brodys Miene, daß dieser es ernst meinte.
»Ich will dich nicht verlieren, Indiana, gleichgültig, worum es geht. Verstehst du?«
Sie tauschten einen Händedruck.
Indy fiel auf, daß Brodys Hand schweißfeucht war.
Als Indy allein war, als ihn auch Susan verlassen hatte, blieb er bis lange in die Nacht hinein auf, konnte nicht schlafen, brachte seine Gedanken nicht zur Ruhe. Er schlenderte von einem Zimmer des kleinen Hauses ins andere, während er abwechselnd die Hände zu Fäusten ballte und sie wieder öffnete. Nach all den Jahren, dachte er, nach dieser langen Zeit - ob Ravenwood mir helfen wird? Ob Ravenwood zu mir steht, falls er den Aufsatz hat? Und hinter diesen Fragen lauerte noch eine andere. Ob Marion noch bei ihrem Vater lebt?
Er betrat schließlich sein Arbeitszimmer und legte die Füße auf den Schreibtisch, starrte die Dinge an, die er gesammelt hatte. Er schloß für kurze Zeit die Augen, um klarer denken zu können, stand wieder auf. Aus einem der Regale nahm er eine Ausgabe von Ravenwoods altem Tagebuch, ein Geschenk des alten Mannes, als sie noch Freunde gewesen waren. Indy blätterte darin, überflog den Text, eine Enttäuschung nach der anderen vermerkt, eine Ausgrabung, die den Erwartungen nicht entsprochen hatte, eine andere, die nur dürftige Ergebnisse erbracht hatte, einen sehr kleinen, aber lockenden Hinweis auf den Verbleib der Bundeslade. In dem Tagebuch zeichneten sich die Umrisse einer Besessenheit ab, die einer zwanghaften Suche nach einem verlorengegangenen Objekt der Geschichte. Aber die Bundeslade war fähig, einem ins Blut zu gehen und alles zu erfüllen, was einen umgab. Er konnte die Beharrlichkeit des alten Mannes verstehen, seine grenzenlose Hingabe, den Drang, der ihn von einem Land zum anderen, von einer Hoffnung zur nächsten geführt hatte. So viel war aus den Seiten herauszulesen, aber nirgends stand etwas von dem Aufsatz. Nichts.
Die letzte Eintragung im Tagebuch erwähnte Nepal, wo eine Ausgrabung hatte stattfinden sollen. Nepal, dachte Indy, der Himalaya, das schwierigste Gelände der Welt. Und sehr weit von dem entfernt, was die Deutschen in Ägypten trieben. Vielleicht war Ravenwood damals noch auf etwas anderes gestoßen, auf einen neuerlichen Hinweis, der zur Lade führen mochte. Vielleicht war das ganze Material über Tanis unzutreffend. Vielleicht.
Nepal. Immerhin ein Anfang.
Ein Anfang.
Er blätterte noch kurze Zeit im Tagebuch, dann ließ er sich in den Sessel sinken. Er hätte zu gern gewußt, wie Abner Ravenwood ihn empfangen würde.
Und welchen Empfang er von Marion zu erwarten hatte.
Berchtesgaden
Dietrich fühlte sich nicht wohl, wenn er mit Belloq zusammen war. Es lag nicht so sehr am mangelnden Vertrauen zu diesem Franzosen, an dem Gefühl, daß Belloq auf alle Dinge mit dem gleichen Zynismus reagierte - es war eher das eigenartige Charisma Belloqs, das Dietrich beunruhigte, die Vorstellung, daß man aus irgendeinem Grund den Wunsch verspürte, ihn zu mögen, daß er einen selbst dann anzog, wenn man sich dagegen wehrte.
Sie saßen in einem Vorzimmer des Berghofs bei Berchtesgaden, wohin der Führer sich oft zurückzog. Dietrich war vorher noch nie hiergewesen und konnte ein Staunen nicht unterdrücken. Belloq, der behaglich die Beine ausgestreckt hatte, schien dagegen nichts Vergleichbares zu empfinden. Ganz im Gegenteil - Belloq hätte ebensogut in einem Straßencafe in Frankreich sitzen können, dort, wo Dietrich ihn tatsächlich gefunden hatte, in Marseille. Kein Respekt, dachte Dietrich. Kein Gefühl für die Bedeutung der Dinge. Die Haltung des Archäologen ärgerte
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