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Jäger des verlorenen Schatzes

Jäger des verlorenen Schatzes

Titel: Jäger des verlorenen Schatzes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Campbell Black
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während die Umstehenden Nebenwetten auf den Ausgang des Wettbewerbs abschlossen. Selbst dem ahnungslosesten Zuschauer mußte es als kaum denkbar erscheinen, daß der Australier von einer Frau unter den Tisch getrunken werden konnte, die nicht viel über einssechzig groß war. Aber sie kippte einen Schnaps nach dem anderen, ohne hinter dem Mann zurückzubleiben.
    Irgend etwas in Indy, eine Verkrampfung, ein steinharter Knoten, löste sich plötzlich und wurde weich. Er hätte sie am liebsten aus diesem Irrenhaus herausgeholt. Nein, wies er sich zurecht. Sie ist kein Kind mehr, nicht länger Abners Tochter - sie ist eine Frau, eine junge, schöne Frau. Und sie weiß, was sie tut. Sie wird allein fertig - sogar hier, mitten in diesem Gewühl von Verkommenen, Straßenräubern und Besoffenen. Sie kippte wieder ein Glas. Die Zuschauer brüllten. Mehr Geld flog auf die Theke. Jubelgeschrei. Der Australier taumelte, griff nach einem Glas, verfehlte und kippte um wie ein gefällter Baum. Indy war beeindruckt. Er sah zu, als sie die schwarzen Haare zurückwarf, nach dem Geld auf der Theke griff und den Gästen etwas zurief; obwohl er die Sprache nicht kannte, wurde aus ihrem Tonfall klar, daß sie den Wettbewerb für beendet erklärte. Ein Glas stand jedoch noch auf der Theke, und man sah, daß keiner sich zu entfernen gedachte, bevor sie auch dieses geleert hatte.
    Sie schaute sich im Kreis um und sagte: »Penner.« Dann kippte sie den Schnaps hinunter. Die Zuschauer brüllten wieder auf, Marion schwenkte die Arme, und das Gedränge begann sich aufzulösen. Murrend und schlurfend ging man zur Tür. Der Barmann, ein Nepalese, sorgte dafür, daß die Leute auch wirklich gingen, und drängte sie in die Nacht hinaus. In einer Hand hielt er einen Axtstiel. In einem Lokal wie diesem braucht man vielleicht sogar mehr als das, um schließen zu können, dachte Indy.
    Dann war es an der Theke leer, die letzten Nachzügler hatten den Raum verlassen.
    Marion ging hinter die Theke, hob den Kopf und sah Indy an. »He, hörst du nicht? Wohl taub, wie? Schluß! Hast du verstanden? Bairra tschakaiho?« Sie ging auf ihn zu. Auf einmal blieb sie wie angewurzelt stehen, als ginge ihr ein Licht auf.
    »Hallo, Marion«, sagte er.
    Sie rührte sich nicht.
    Sie starrte ihn nur an.
    Er versuchte sie so zu sehen, wie sie jetzt war, nicht als die Erscheinung in seinem Gedächtnis, und das fiel ihm auf einmal schwer. Wieder schnürte sich etwas zu in ihm, diesmal in seiner Kehle.
    »Hallo, Marion«, sagte er noch einmal. Er setzte sich auf einen Barhocker.
    Einen Augenblick lang glaubte er, in ihrem Blick eine alte Empfindung aufleuchten zu sehen, etwas, das dort eingesperrt war - aber was sie als nächstes tat, verblüffte ihn völlig. Sie ballte die Faust, holte blitzschnell aus und traf ihn mit Wucht am Kinn. Er kippte vom Barhocker herunter, blieb am Boden liegen und schaute zu ihr hinauf.
    »Mich freut es auch, dich wiederzusehen«, sagte er, rieb sich das Kinn und grinste.
    »Steh auf und verschwinde!« sagte sie.
    »Warte, Marion.«
    Sie blieb vor ihm stehen.
    »Ein zweites Mal geht das genausogut«, sagte sie und ballte wieder die Faust.
    »Das glaube ich«, sagte er. Er schob sich auf die Knie hoch. Durch Unterkiefer und Kinn ging ein schmerzhafter Stich. Wo hatte sie gelernt, so zuzuschlagen? Wo hatte sie überhaupt gelernt, so zu trinken? Was sagt man? dachte er. Aus dem Mädchen wird eine Frau, und die Frau weiß sich zu helfen.
    »Ich habe dir nichts zu sagen.«
    Er stand auf und wischte sich den Schmutz von der Kleidung. »Okay, okay«, sagte er. »Mag sein, daß du nicht mit mir reden willst. Das kann ich verstehen -«
    »Sehr einsichtsvoll von dir.«
    Die Bitterkeit, dachte Indy. Verdiente er sie denn? Nun ja, vielleicht. »Ich bin hier, um mit deinem Vater zu sprechen«, sagte er.
    »Da kommst du zwei Jahre zu spät.«
    Indy bemerkte aus dem Augenwinkel, daß der Nepalese den Axtgriff in der Hand wog. Ein bedrohlich aussehender Bursche, eigentlich.
    »Schon gut, Mohan. Ich mache das schon.« Sie wies mit einer verächtlichen Handbewegung auf Indy. »Geh nur nach Hause.«
    Mohan legte den Axtgriff auf die Theke. Als sie ihm zunickte, ging er achselzuckend zur Tür und verließ das Lokal.
    »Was heißt ›zwei Jahre zu spät‹?« fragte Indy langsam. »Was ist mit Abner?«
    Zum erstenmal schien sich in Marion etwas zu lösen. Sie atmete stockend aus, als wolle sie sich vom Druck der Trauer befreien.
    »Was kann ich wohl meinen? Eine

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