Jäger des verlorenen Schatzes
Lawine hat ihn erwischt. Was hätte ihn sonst aufhalten können? Eigentlich ganz passend - er hat sein Leben lang gegraben. Soviel ich weiß, liegt er irgendwo noch da oben am Berg, tief unter dem Schnee.« Sie wandte sich ab und füllte ein Glas.
Indy setzte sich wieder auf den Hocker.
Abner tot.
Unfaßbar.
Um diesen Schlag zu verdauen, brauchte er mehr Zeit.
»Er war der Überzeugung, seine geliebte Lade müßte hier an einem Berg vergraben sein.« Marion trank. Er konnte sehen, wie ihre Härte, wie diese rauhe, scheinbar eisenharte Schale Risse bekam. Aber sie kämpfte dagegen an, wollte sich diesem Schwächeanfall nicht beugen. »Er hat mich zu seinen verrückten Ausgrabungen um die halbe Welt gezerrt, als ich noch ein halbes Kind war«, sagte sie. »Dann stirbt er auf einmal. Er hat mir keinen Penny hinterlassen. Willst du wissen, wie ich gelebt habe? Ich habe hier gearbeitet. Und nicht gerade als Barfrau, kann ich dir verraten.«
Indy starrte sie an. Er wußte selbst nicht genau, was er in diesem Augenblick empfand, welche Gefühle ihn bewegten. Sie waren ihm unvertraut, ganz fremdartig. Sie wirkte auf einmal furchtbar zerbrechlich. Und wunderschön.
»Der Kerl, dem der Laden gehörte, schnappte über. Hier schnappt früher oder später jeder über. Und was passierte, als man ihn abholte? Willst du das wissen? Er hinterließ mir das Geschäft. Alles gehört mir, solange ich lebe. Kannst du dir etwas Schlimmeres vorstellen?«
Es war zuviel, als daß Indy das auf einmal verdauen, auf einmal verarbeiten konnte. Er wollte etwas sagen, das sie trösten konnte, aber er wußte, daß es dafür keine Worte gab.
»Es tut mir leid«, sagte er.
»Vielen Dank.«
»Es tut mir wirklich leid.«
»Ich dachte, ich hätte dich geliebt«, sagte sie. »Und schau dir an, was du daraus gemacht hast.«
»Ich wollte dir nicht weh tun.«
»Ich war doch noch ein Kind.«
»Hör zu, was ich getan habe, habe ich getan. Ich bin nicht glücklich darüber, ich kann es nicht erklären. Und ich erwarte auch nicht, daß du glücklich darüber bist.«
»Es war falsch, Indiana Jones. Und das hast du auch ganz genau gewußt.«
Indy schwieg. Er fragte sich, ob man sich für Gewesenes wirklich entschuldigen konnte.
»Wenn ich zehn Jahre zurückgehen, wenn ich alles ungeschehen machen könnte, glaub mir, Marion, ich würde es tun.«
»Ich wußte, daß du einmal durch diese Tür da kommen würdest. Frag mich nicht, warum. Ich wußte es einfach.«
Er legte die Hände auf die Theke. »Warum bist du denn nicht zurückgegangen?«
»Geld. Ganz einfach. Ich will zurück, wenn ich entsprechend auftreten kann.«
»Vielleicht kann ich da helfen. Vielleicht kann ich endlich etwas Gutes für dich tun.«
»Ist das der Grund, warum du zurückgekommen bist?«
Er schüttelte den Kopf. »Ich brauche eines von den Stücken, von denen ich glaube, daß dein Vater sie besessen hat.«
Marions Hand zuckte hoch, aber diesmal war Indy vorbereitet und packte ihr Handgelenk.
»Saukerl«, sagte sie. »Wenn du nur diesen verrückten alten Mann in Ruhe lassen würdest. Du hast ihm, weiß Gott, genug weh getan, als er noch lebte.«
»Ich bezahle«, sagte er.
»Wieviel?«
»So viel auf jeden Fall, daß du auf gehörige Weise nach Hause zurückgehen kannst.«
»So? Der Haken dabei ist nur, daß ich seine Sachen verkauft habe. Gerumpel, alles miteinander. Er hat sein ganzes Leben dafür vergeudet.«
»Alles? Du hast alles verkauft?«
»Du bist enttäuscht? Wie fühlt man sich denn da, Mr. Jones?«
Indy lächelte sie an. Ihr Augenblick des Triumphes war ihm aus irgendeinem Grund angenehm. Dann fragte er sich, ob sie wirklich die Wahrheit sagte, ob Abners Besitztümer wahrhaftig so wertlos gewesen waren.
»Es gefällt mir, wenn du niedergeschlagen aussiehst«, sagte sie. »Ich spendiere dir ein Glas. Was willst du?«
»Soda«, sagte er seufzend.
»Soda? Die Zeiten haben sich geändert, Indiana Jones. Ich ziehe Scotch vor. Ich mag Bourbon und Wodka und Gin auch sehr gern. Von Kognak bin ich nicht so begeistert. Den trinke ich nicht mehr.«
»Du bist jetzt ein hartgesottenes weibliches Wesen, wie?«
Sie lächelte ihn wieder an. »Wir sind hier auch nicht gerade in Schenectady.«
Er rieb sich wieder das Kinn. Plötzlich hatte er die Vorhutgefechte satt. »Wie oft soll ich noch sagen, daß es mir leid tut? Würde da jemals Schluß sein?«
Sie schob ihm ein Glas Mineralwasser hin, und er trank mit einer Grimasse. Sie beugte sich vor und stützte die
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