Jäger des verlorenen Schatzes
Ein Volltreffer, dachte sie.
Ein einziger Volltreffer.
Er sprang herum wie ein Wilder, wollte nicht stillstehen.
Der Rauch nahm ihr die Sicht, erstickte sie.
Indy gab dem Sherpa einen Tritt, daß er davonrollte, dann hatte der Nepalese freie Bahn zu Indys Kopf. Jetzt!
Du mußt es jetzt tun!
Sie drückte ab.
Der Nepalese wurde vom Einschlag hoch- und nach hinten gerissen. Indy sah sie durch Rauch und Flammen hindurch dankbar an und lächelte.
Packte Peitsche und Hut und schrie: »Nichts wie raus hier!«
»Nicht ohne das Stück, das du wolltest.«
»Es ist hier?«
Marion stieß mit einem Tritt einen brennenden Stuhl weg. Von der Decke brach mit heftigem Auflodern ein Holzbalken herunter und versprühte Funkenregen und Aschenglut.
»Laß es!« schrie Indy. »Ich will, daß du hier rauskommst! Schnell!
Aber Marion hetzte zu der Stelle, wo Toht das Medaillon hatte fallen lassen. Hustend, bemüht, nicht tief einzuatmen, während ihre Augen brannten und tränten, bückte sie sich und hob das Medaillon mit ihrem Halstuch auf. Dann hielt sie Ausschau nach dem Holzkästchen mit dem Geld.
»Unfaßbar!« Asche. Fünftausend Dollar, in Rauch aufgegangen.
Indiana Jones packte sie beim Handgelenk und zerrte sie durch das Feuer zur Tür.
»Weg! Weg hier!« brüllte er.
Sie stürzten hinaus in die kalte Nacht, gerade als die Decke einstürzte, als Rauch und Flammen sich in zerstörerischer Wut in die Dunkelheit ergossen. Glühende Asche, lodernde Balken, flammendes Holz - sie tanzten durch das aufflammende Dach in den Himmel hinauf.
Indy und Marion standen auf der anderen Straßenseite und schauten zu.
Sie bemerkte, daß er immer noch ihr Handgelenk festhielt. Diese Berührung. Es war so lange her, so viel Zeit war vergangen, und noch während sie an die Berührung, an die Reibung seiner Haut auf der ihrigen dachte, kämpfte sie die Erinnerung nieder. Sie machte sich los und trat einen Schritt zur Seite.
Sie starrte lange in das lodernde Feuer und schwieg. Holz knallte und brach auseinander.
»Ich finde, du bist mir einiges schuldig«, sagte sie schließlich. »Allerhand sogar.«
»Zum Beispiel?«
»Zum Beispiel das da«, sagte sie und hielt ihm das Medaillon hin. »Ich bin deine Partnerin, Freund. Das Ding hier gehört nämlich immer noch mir.«
»Partnerin?« sagte er.
»Genau.«
Sie starrten noch geraume Zeit in die Flammen, ohne zu bemerken, wie Arnold Toht durch die Gassen abseits der Hauptstraße davonschlich, eine Ratte im Labyrinth.
Im Auto sagte Marion: »Was nun?«
Indy schwieg kurze Zeit.
»Ägypten«, erwiderte er schließlich.
»Ägypten?« Marion sah ihn an, als der Wagen durch die Dunkelheit rollte. »Mit dir kommt man in die ausgefallensten Gegenden.«
Die Umrisse der Berge tauchten auf; ein bleicher Mond erschien. Indy sah, wie die Wolken sich auflösten. Er fragte sich, warum er sich plötzlich bedrückt fühlte. Das Gefühl verflog aber rasch, als er Marion lachen hörte.
»Was ist denn so lustig?«
»Du«, sagte sie. »Du mit deiner Peitsche.«
»Spotte lieber nicht darüber. Sie hat dir das Leben gerettet.«
»Ich konnte es fast nicht glauben, als ich dich sah. Die komische alte Peitsche hatte ich ganz vergessen. Ich weiß noch, wie du den ganzen Tag damit geübt hast. Die alten Flaschen an der Wand, und du mit der Peitsche davor.« Sie lachte wieder.
Indy erinnerte sich an die Faszination, die von der Peitsche ausgegangen war, seitdem er als Siebenjähriger im Zirkus eine Peitschennummer gesehen hatte. Mit großen Augen war er dagesessen und hatte verfolgt, wie der Peitschenartist allen Gesetzen der Natur Hohn zu sprechen schien. Und dann die vielen Übungsstunden, eine Hingabe, die niemand erklären konnte, nicht einmal er selbst.
»Gehst du irgendwohin, ohne sie mitzunehmen?« fragte sie.
»Ich nehme sie nie mit in den Hörsaal«, erwiderte er.
»Aber du schläfst damit, möchte ich wetten.«
»Das kommt ganz darauf an«, sagte er.
Sie blickte stumm in die Bergnacht hinaus. Nach einer Weile sagte sie: »Worauf kommt es an?«
»Überleg es dir selber.«
»Ich glaube, ich habe begriffen.«
Er warf einen Seitenblick auf sie, dann achtete er wieder auf die mit Schlaglöchern übersäte Straße.
Ausgrabungsstätte Tanis, Ägypten
Die heiße Sonne versengte den Sand, brannte auf der Wüste, die sich von einem Horizont zum anderen erstreckte. An einem Ort wie diesem kann man sich die ganze Welt als Wüste im Sonnenglast vorstellen, dachte Belloq, als einen Planeten ohne
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