Jäger des verlorenen Schatzes
das Essen auszuteilen, ohne auf die Beleidigungen der Deutschen zu achten. Er beeilte sich. Er verschüttete Essen auf den Tisch und bekam dafür eine Kopfnuß.
»Tölpel! Schau dir mein Hemd an! Sieh dir an, was du gemacht hast!«
Sallah senkte tief den Kopf und täuschte Schani vor.
»Hol Wasser! Beeil dich!«
Er stürzte davon, um Wasser zu holen.
Indy ergriff den Aufsatz und steckte ihn sorgfältig auf den Stab. Er schob den Stab in eine der Öffnungen zwischen den Mosaiksteinen und hörte, wie das Holz auf dem alten Gestein klapperte. Das Sonnenlicht erfaßte die Schmuckscheibe, der gelbe Strahl schob sich fast ganz an das kleine Loch im Kristall heran.
Er wartete. Oben konnte er Stimmengewirr hören. Er verschloß die Ohren davor. Gedanken um die Deutschen würde er sich später machen, wenn es sein mußte, nicht jetzt.
Der Sonnenstrahl durchdrang den Kristall und warf einen hellen Lichtstreifen auf die Miniaturstadt. Der Streifen wurde durch das Prisma des Kristalls gebrochen und verändert - und in diesem Gewirr von winzigen Gebäuden und Straßen fiel er auf eine ganz bestimmte Stelle. Rotes Licht, auf einem kleinen Bauwerk leuchtend, das, wie auf geheimnisvolle Art, zu glühen begann. Indy verfolgte das mit grenzenlosem Staunen, und erst jetzt fielen ihm rote Farbflecke an anderen Gebäuden auf, Flecke, die ganz frisch waren.
Belloqs Berechnungen.
Oder Fehlberechnungen. Das von der Sonnenscheibe beleuchtete Gebäude lag mehr als fünfundvierzig Zentimeter näher als der letzte rote Punkt, den der Franzose angebracht hatte.
Großartig. Ideal. Indy hätte sich nicht mehr erhoffen können. Er ging neben der Miniaturstadt in die Knie und zog ein Maßband heraus. Er spannte es zwischen Belloqs letzter Markierung und dem im Sonnenlicht erstrahlenden Bauwerk. Er stellte rasch seine Berechnungen an und kritzelte auf einen kleinen Notizblock. Der Schweiß brannte auf seinem Gesicht und tropfte auf seine Hände hinunter.
Sallah suchte nicht nach Wasser. Er eilte zwischen den Zelten dahin, in der Hoffnung, nicht wieder von einem Deutschen aufgehalten zu werden. In panischer Angst begann er nach einem Seil zu suchen. Er fand keines.
Kein Seil, nichts. Er huschte hierhin und dorthin, im Sand stolpernd und rutschend, und betete, daß keinem der Deutschen sein sonderbares Verhalten auffiel, daß niemand auf den Gedanken kam, ihm irgendeine Arbeit aufzutragen. Er mußte schnell handeln, um Indy herauszuholen. Aber wie?
Er blieb stehen. Zwischen zwei Zelten standen mehrere Tragkörbe mit offenen Deckeln.
Kein Seil, dachte er. In solchen Fällen mußte man improvisieren.
Als er sich vergewissert hatte, daß er nicht beobachtet wurde, ging er auf die Tragkörbe zu.
Indy brach den Holzstab in zwei Stücke und steckte die Sonnenscheibe wieder ein. Er legte die Holzstücke in eine Ecke des Raumes, trat direkt unter das Loch und starrte zum grellen Himmel hinauf. Das gleißende Blau blendete ihn im ersten Augenblick.
»Sallah!« rief er halblaut.
Nichts.
»Sallah!«
Nichts.
Er schaute sich nach einem anderen Weg um, der nach draußen führen mochte, aber soviel er sehen konnte, gab es keinen.
»Sallah!«
Stille.
Er starrte zur Öffnung hinauf, blinzelte in das grelle Licht und wartete.
Plötzlich bewegte sich oben etwas, dann fiel etwas herunter, und er glaubte zunächst, es sei das Seil. Das stimmte nicht. Was er herunterkommen sah, waren zusammengeknotete Kleidungsstücke, offenkundig in größter Hast aneinandergeschlungen, um ein Ersatzseil zu bilden - Hemden, Uniformröcke, Hosen, Burnusse und - ausgerechnet - eine Hakenkreuzfahne.
Er packte den Strick, zerrte daran und begann hinaufzuklettern. Er stieg oben hinaus und warf sich auf den Bauch, während Sallah die verknoteten Kleidungsstücke herausriß. Indy lächelte. Der Ägypter stopfte die Sachen in die Tonne. Indy stand auf und folgte Sallah mit raschen Schritten zu den Zelten.
Sie bemerkten den Deutschen nicht, der mit sichtbarer Ungeduld hin und her marschierte.
»Du da! Ich warte immer noch auf das Wasser!«
Sallah breitete bedauernd die Hände aus.
Der Deutsche wandte sich Indy zu.
»Du bist auch so ein fauler Kerl. Warum gräbst du nicht?«
Sallah ging auf den Deutschen zu, während Indy sich mit tiefen Verbeugungen entfernte und in die andere Richtung davoneilte.
Sein langes Gewand flatterte, während er zwischen den Zelten dahinstürmte. Hinter sich konnte er den Deutschen rufen hören, als sei dem Mann plötzlich ein Licht
Weitere Kostenlose Bücher