Jäger des Zwielichts: Roman (German Edition)
Hölle.
Welch ein Glück, dass sie das Kurzschließen von Autos aus dem Effeff beherrschte! Das und noch etwas hatte ihr die Zeit in der Jugendstrafanstalt gebracht: einen neuen Freundeskreis.
Manche jener Freunde stammten aus sehr ähnlichen Elternhäusern wie Jana. Häuser, in denen die Eltern ein Faible dafür hatten, ihre Kinder Abend für Abend mit Fäusten zu traktieren. Oder sie anzufassen, wo sie es nicht sollten.
Nach ihrer Entlassung hatte Jana ihren Freunden geholfen; nichts Tödliches, nur ein paar deutliche Winks. Die anderen hatten nicht geglaubt, dass sie nur mit Gedankenkraft Brände entfachen konnte. Stattdessen hielten sie Jana für eine Spitzenpyromanin, und sie wollten, dass sie ihnen mit ihrem Können die Monster vom Leib schaffte.
Monster. Manchen konnte man schlicht nicht entkommen.
Also hatte Jana ihren Teil getan, auf die anderen aufgepasst. Als Lillie McGill, ihre »Zimmergenossin« in der Anstalt, rauskam und nach Hause fuhr, war Jana ihr gefolgt. Und beim ersten Mal, dass Lillies Vater auf sie losging, hatte Jana STOP in die Wand neben ihm gebrannt.
Sie hatte ihn nicht getötet, ihn nicht mal mit den Flammen berührt. Die feurige Nachricht reichte, dass der Kerl in die Kirche kroch und sich therapieren ließ.
Nein, ihn musste sie nicht verbrennen. Und damals hatte sie sowieso zu große Angst, wieder zu töten.
Nicht dass diese Angst lange überdauerte. In ihrer Zeit beim Perseus-Projekt schwand sie schnell.
Lillies Vater fand zu Jesus, ohne zu begreifen, dass es der Teufel gewesen war, der ihn dorthin schickte. Er fasste seine Tochter nie wieder an, und Lillie bildete Jana zum Dank bestens im Autoknacken aus.
Ein guter Tausch, wie Jana fand.
Sie behielt den PT Cruiser auf der Fahrt durch die Stadt im Blick. Seit sie fort war, musste Perseus umgezogen sein, aber das gehörte zu ihren üblichen Schutzmaßnahmen. Sie wechselten alle paar Monate ihren Standort, die verschlagenen Mistkerle.
Jana fuhr mit mehreren Wagen Abstand hinter den anderen her, nicht so viele, dass sie riskierte, sie zu verlieren, aber genug, um unbemerkt zu bleiben.
Sie rauschten am St.-Louis-Friedhof vorbei, wo weiße Grabsteine hinter dem schmiedeeisernen Zaun aufragten wie gespenstische Wegweiser zur Perseus-Zentrale.
Ein Schauer lief Jana über den Rücken, und sie umklammerte das Steuer fester. Die Friedhöfe in New Orleans waren ihr schon immer unheimlich gewesen, denn anders als die meisten Touristen wusste sie, dass einige der Toten tatsächlich aus ihren Gräbern stiegen und Unschuldige bissen. Ganz zu schweigen von den Spinnern heutzutage, die irgendwelche Rufzauber wirkten; für sie muteten sie wie harmlose Spiele an, von denen sie in Büchern gelesen hatten, aber Jana kannte leider die Wahrheit: An denen war gar nichts harmlos. Ihr waren schon manche wandelnden Alpträume über den Weg gelaufen.
Die Meilen flogen dahin, und sie erreichten ein Wohnviertel, das vollkommen normal aussah. Welch trügerischer Schein.
Dann hörten die Häuser auf. Der Hurrikan vor ein paar Jahren hatte hier einiges zerstört, und die früheren Bewohner hatten ihre Häuser nicht wieder aufgebaut – was Jana ihnen nicht verdenken konnte.
Wohin brachten sie Zane? Inzwischen standen links und rechts nur noch vereinzelte Fabrikgebäude oder Lagerhäuser.
Dann, endlich , bog der Cruiser auf einen Parkplatz neben einem Lagerhaus. Über den Holztüren waren zwei weiße Masken auf die rote Holzwand gemalt: eine lachend, die andere weinend. Mardi-Gras-Masken.
Jana fuhr an dem Gebäude vorbei und achtete darauf, keine Sekunde lang Gas wegzunehmen. Im Rückspiegel sah sie, wie der Fahrer aus dem Wagen stieg. Er schien noch ziemlich jung, was nicht verwunderlich war, denn Perseus rekrutierte gern junge Leute.
Der Junge blickte ihrem Wagen nach.
Sie beschleunigte nicht, raste nicht mit quietschenden Reifen davon, sondern fuhr einfach weiter und bog an der nächsten Kreuzung nach links. Ihr Herz pochte wie verrückt. Sobald sie den Wagen versteckt hatte, würde sie zu Fuß zurückgehen und Zane holen.
Nun wusste sie ja, wo er war – wo das Perseus-Projekt residierte.
Sie lächelte.
Ratet mal, wer wieder da ist? Es war an der Zeit, ihnen die Hölle heißzumachen.
Sie nahmen ihm die Augenbinde ab, nachdem die schweren Stahltüren hinter ihm zugefallen waren. Zane blinzelte einmal, und seine Augen passten sich praktisch sofort an die Dunkelheit an. Das war ein hübsches Extra des Dämonischen. Egal wie finster es um ihn
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