Jäger in der Nacht: Kriminalroman (German Edition)
vor, und Louise lächelte, so vieles hatte sich geändert, doch manches war wie früher. Thomas Ilic, der sich vorbereitet hatte.
Zwischen einer moosbewachsenen Steinmauer auf der einen und zurückgesetzten Wohnhäusern auf der anderen Straßenseite fuhren sie langsam in den Ort.
»Da ist die Kapelle.« Thomas Ilic wies nach links.
Sie nickte. »Und da ist Meirich.«
Hans Meirich saß neben Sandy, der Kollegin vom Dezernat OK, auf einer Bank gegenüber der Kapelle in der Sonne. Er hatte aus Breisach angerufen. Dem Kollegen von der Schutzpolizei, der die Anzeige aufgenommen hatte, war aufgefallen, dass Eddies Mutter Spuren körperlicher Misshandlung aufwies und ganz offensichtlich gegen den Willen oder ohne Wissen ihres Mannes gekommen war. Eddies Vater war bis Breisach hinauf als Säufer und Schläger bekannt. Früher hatte er an einer Tankstelle in Oberrimsingen gearbeitet, dann war er wegen Diebstahls entlassen worden. Alkohol, Gelegenheitsjobs, Hartz IV. Und vor zwanzig Jahren hatte er wegen Totschlags ein paar Jahre gesessen.
Passt ein bisschen auf, hatte der Kollege zu Meirich gesagt.
Louise hatte vorgeschlagen, dass sie die Vernehmung zu viert durchführten. Meirich hatte eingewilligt.
Sie hielt vor der Kapelle im Schatten.
»Hab von Heuweiler gehört«, sagte Meirich, als er Thomas Ilic die Hand schüttelte. »Schön, dass du wieder da bist.« Unter der dunklen Sonnenbrille waren seine Augen nicht zu sehen. Aber in seiner Stimme lag Mitgefühl.
»Ja«, sagte Thomas Ilic überrascht.
»Muss schrecklich gewesen sein«, sagte Sandy und wog den Kopf hin und her, sodass die blonden Zöpfe auf den Schultern tänzelten.
»Ja, ja«, sagte Thomas Ilic.
Sie besprachen das Vorgehen. Sie waren ein Ermittlungsteam, doch der Fall lag beim Dezernat Kapitalverbrechen, nicht beim Dezernat Organisierte Kriminalität. Also würden Louise und Thomas Ilic die Vernehmung führen, Hans Meirich und Sandy sich im Hintergrund halten.
»Wenn wir was vergessen oder übersehen, schaltet ihr euch ein.«
»Sollten nicht lieber wir Männer …«, begann Hans Meirich.
Louise hob warnend die Brauen.
»Ich meine, bei dem Kaliber.«
»Von einer Frau wird er sich nicht einschüchtern lassen«, sagte Sandy.
»Wenn’s schiefgeht, rettet uns«, sagte Louise freundlich.
Hans Meirich und Sandy wechselten einen Blick, nickten dann.
Louise und Thomas Ilic hatten auf der Fahrt nach Grezhausen überlegt, wie sie vorgehen sollten. Unter anderen Umständen hätten sie Eddies Mutter unter einem Vorwand noch einmal nach Breisach ins Revier bestellt oder beim Einkaufen oder auf dem Sozialamt abgepasst, um allein mit ihr zu sprechen. In Gegenwart ihres Mannes würde sie kaum die Wahrheit sagen.
Doch so viel Zeit hatten sie nicht.
Ganz abgesehen davon wollte Louise vor allem mit Eddies Vater sprechen.
»Wir können zu Fuß gehen«, sagte Meirich. »Sind nur ein paar Meter.«
Sie wollte keinen Sport daraus machen, Hans Meirich zu widersprechen. Doch vier Kripobeamte, die zu Fuß ankamen, waren wenig beeindruckend. Zwei Wagen, aus denen vier Kripobeamte sprangen, schon eher. »Wir fahren.«
»Gut«, sagte Hans Meirich.
Sie stiegen in die Autos.
»Was war das denn?«, fragte Thomas Ilic.
»Was?«
»Heuweiler.«
»Das wirst du dir noch ein paar Monate lang anhören müssen. Möglicherweise dein Leben lang.«
Thomas Ilic schwieg.
»Und Sandy?«, fragte Louise. »Meirichs fleißiges Bienchen?«
»Mein Gott, Zöpfe .« Thomas Ilic schüttelte den Kopf.
» Blond und Zöpfe.«
»Vielleicht hat sie einen Nebenjob als IKEA-Verkäuferin.«
»Aber sie soll ganz gut sein, hab ich gehört.«
»Sie ist okay«, sagte Thomas Ilic.
Louise lächelte. Gute Scherze hatte Thomas Ilic noch nie gemacht.
Eddie Holzners Familie lebte in einem kleinen, alleinstehenden Häuschen jenseits der Möhlin an der Straße nach Hartheim. Rotes Schindeldach mit Satellitenschüssel, den schmalen Grasstreifen, der sich um das Haus zog, umgab ein spitzwinkliger Holzzaun. Die Farbe an der Fassade blätterte großflächig ab, die Vorhänge waren gelblich verfärbt, im winzigen Vorgarten stand Plastikmobiliar aus dem Billigbaumarkt. Auf dem Gartentisch eine halbvolle Bierflasche und ein Aschenbecher, der unter einem Berg von Zigarettenkippen verschwand. Auch auf dem Rasen lagen Kippen. Kein Marmor, keine Glasfronten, keine Welt aus MaxMara und Gucci. Wenn es eine Verbindung zwischen Nadine Rohmueller und Eddie Holzner gab, lag sie im Verborgenen.
Eine kleine,
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