Jäger in der Nacht: Kriminalroman (German Edition)
spiegelte Wut, Verwirrung, Ratlosigkeit wider. Heiser sagte er: »Du kannst doch nicht in ein Haus einbrechen wie der letzte …«
»Kann ich. Wenn es die Umstände erfordern.«
Sie hatten Horben erreicht, bogen in die Straße ein, in der ein Gespräch mit einer Frau, die vor wenigen Stunden zur Witwe geworden war, auf sie wartete. Bermann hielt am Straßenrand, schaltete den Motor aus. Sie spürte, dass er sich bemühte, ruhig zu bleiben.
»Verschieben wir die Formalitäten auf später, ja?«
»Formalitäten«, sagte er. »Du bist Polizistin . Du steigst nicht ohne Durchsuchungsbeschluss in fremde Häuser ein.«
»Dann besorg einen.«
Er dachte einen Moment lang nach, zog dann das Funktelefon heraus, verlangte Marianne Andrele, die Staatsanwältin. Dringender Verdacht gegen die Ettingers, möglicherweise Beteiligung an der Entführung. Hinweise darauf, dass Nadine dort gegen ihren Willen festgehalten werde. Er gab sich viel Mühe. Fünf Minuten später hatte er das Okay. »Und dann bist du zu Almenbroich«, sagte er.
»Ja.«
»Warum? Damit er dir da raushilft?«
»Quatsch.«
»Was brütest du in deinem Säuferhirn aus? Und warum hast du in der Besprechung nichts gesagt? Du hast uns belogen . Du behinderst die Scheißermittlungen! Bist du durchgeknallt?« Er hatte sich in Wut geredet, seine Stimme war laut und aggressiv.
Irgendwie paranoid, hatte Alfons Hoffmann gesagt. Säuferhirn, hatte Bermann gesagt. Ein paranoides Säuferhirn.
»Trinkst du wieder? Muss ich deshalb auf dich aufpassen?«
»Seh ich so aus?«
»Was weiß denn ich.«
Sie verdrängte den plötzlichen Zorn, die Scham, die Erinnerungen. Sie konnte Bermann keinen Vorwurf dafür machen, dass er andere Gründe für ihr Verhalten fand, als ihr lieb war. »Die Ettingers, Rolf.«
Er rieb sich die Stirn. »Also. Sie haben Nadine in der Scheune gefunden und zu sich gebracht. Sie haben dich belogen. Jetzt sind sie weg. Und?«
Louise wandte sich ab, sah die Straße hinunter. Ein paar Meter weiter Hausnummer 23, Thujen im Vorgarten verbargen die Fenster im Erdgeschoss. Im ersten Stock ein Balkon mit geöffneten Türen, der leichte Wind bewegte gelbe Gardinen. Im Carport stand ein silberner Mercedes. Irgendetwas hielt sie davon ab, sich Bermann zu offenbaren. Ein vages Gefühl. Vielleicht die Angst, einen Fehler zu begehen. Vielleicht eine Ahnung.
»Und die Sache mit Holzner«, sagte sie.
»Holzner«, sagte Bermann, der sich keine Mühe gab, seine Wut zu verbergen. Aber er spielte mit. »Ein Auto. Der Kerl muss ein Auto haben. Holzner hat kein Auto. Aber er war in der Scheune, wir haben die Zigarette. Also hat er gelogen. Warum? Weil er mit drinsteckt. Ganz einfach.«
»Quatsch.«
»Quatsch, natürlich. Wie konnte ich das vergessen. Alles, was logisch ist, hältst du für Quatsch.«
Sie hielt seinem Blick stand. Zum ersten Mal fragte sie sich, weshalb Holzner gelogen hatte. Hatte er die Scheune für seine außerehelichen Aktivitäten benutzt? Seine Frau hatte ihn verlassen. Ihretwegen musste er nicht mehr lügen.
»Es sind mindestens zwei«, sagte Bermann. »Holzner ist der eine. Aber er hat Eddie nicht umgebracht. Er ist nicht der Typ für so was. Also war es der andere … Du denkst doch nicht etwa an Rohmueller?«
»Ich bitte dich.«
»Ich hab keine Lust auf diese Ratespielchen, verdammt! Ich hab keine Zeit für so was!« Bermann brüllte jetzt.
Sie seufzte. Sie verstand ihn ja. Arbeiten mit Louise Bonì, das mochte manchmal quälend sein.
Leben mit Louise Bonì wohl auch.
»Krieg dich wieder ein, Rolf.«
»Die Ettingers und Nadine? Rächen Nadine? Zwei alte Schreckschrauben und eine Prinzessin? Wie durchgeknallt bist du? Scheißdreck!« Bermann öffnete die Tür, stieg aus.
Der gute, alte, bornierte Rolf Bermann. Sie hatte Almenbroich überfordert, sie hatte Bermann überfordert.
»Das«, schnauzte Bermann und wies auf das Haus mit den gelben Vorhängen, »machst du .«
15
Ein Wohnzimmer in weiß, flauschig, staublos, still. Wände ohne Bilder, eine Regalwand hinter weißen Hochglanztüren. Zwei weiße Flokatis dämpften alle Geräusche. Eine Assoziation, die sich nicht sofort greifen ließ, beschäftigte Louise. Das Zimmer.
Dann wusste sie es. Weiß wie eine Arztpraxis.
In tiefe Polster versunken, warteten sie, strumpfsockig, sie hatten die Schuhe ausgezogen, die vor Schmutz starrten. Brigitte Haberle war nach oben ins Badezimmer gegangen. Auf der anderen Seite des Raumes saß die Tochter, Emily, am Esstisch und malte.
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