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Jäger in der Nacht: Kriminalroman (German Edition)

Jäger in der Nacht: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Jäger in der Nacht: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bottini
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war, hieß das nicht, dass er seine dunklen Seiten auf diese Weise auslebte. Keiner der Kollegen definierte sich so durch den Beruf wie er. Durch die Macht, die ihm Polizeigesetz und Strafprozessordnung verliehen. Das Ansehen, das Dezernatsleitung und Hackordnung brachten. Manipulation, Mobbing, Rücksichtslosigkeit, Machismo, Einschüchterung – in seiner Position fand Rolf Bermann genug Möglichkeiten, seine dunklen Seiten auf halbwegs legale Weise auszuleben. Er musste keine Frauen quälen.
    Aber sie fand, dass es noch zu früh war. Was, wenn er ihr nicht glaubte?
    »Du weißt, dass Holzner nichts damit zu tun hat«, sagte sie.
    »Ich weiß gar nichts.«
    »Dass wir mehrere Täter haben. Andere Täter.«
    »Weiter, Louise.«
    »Nichts weiter.«
    »Was für andere Täter? Hast du irgendwelche Hinweise?«
    Zwischen den Bäumen tauchten Lubowitz’ weißgewandete Leute auf. Sie warteten außerhalb der kreisförmigen Absperrung um den Fundort, bis die Ermittler einen ersten Blick darauf hatten werfen können, ohne von Kriminaltechnikern, Spurentafeln, Kommentaren abgelenkt zu werden.
    »Wir reden später.«
    Bermann ließ ihren Arm los. »Spiel nicht mit dem Feuer.«
    »Das bist du, das Feuer?«
    »Abmahnung, Disziplinarverfahren«, sagte Bermann ruhig.
    Sie lachte leise. Alle Jahre wieder die Drohung mit dem Disziplinarverfahren. »Du schaffst es, deine Mitarbeiter zu motivieren.«
    »Alles wie gehabt, was? Als du noch gesoffen hast.«
    Sie holte tief Luft, antwortete nicht. Ruhig bleiben, Bonì.
    »Trotzig, eigensinnig und scheißirrational«, sagte Bermann. »Du kannst einfach nicht im Team arbeiten.«
    »Wir reden später, Rolf.«
    »Vielleicht säufst du ja auch wieder.«
    Sie sagte nichts.
    »Und wer ist das jetzt, dieser Ben? Säuft der auch? Irgendein Loser von den Anonymen Alkoholikern?«
    »Arschloch.«
    » Du bist das Arschloch. Almenbroich hat angerufen.«
    »Mist«, stöhnte Louise.
    »Ja«, sagte Bermann und überholte sie.

    »Nichtraucher«, grunzte Lubowitz enttäuscht und hob grüßend eine Hand an die Stirn.
    Sie verdrängte den Gedanken an Almenbroich, die Enttäuschung, bückte sich unter dem Absperrband hindurch. Neben Bermann blieb sie stehen.
    In fünf Metern Entfernung zwei Anzugbeine, die Füße in schwarzen Halbschuhen, Rückenlage. Ein Baum verdeckte Oberkörper und Kopf. Vage Blut- und Schleifspuren in Richtung Straße. Ansonsten nichts Auffälliges.
    »Ausweise? Handy? Schlüssel?«, fragte Bermann.
    »Nein«, erwiderte Lubowitz hinter ihnen.
    »Sonst was?«
    »Nicht mal ein Kleenex. Scheiße, die rauchen auch nicht …«
    Thomas Ilic und Hans Meirich traten neben sie.
    »Wer hat ihn gefunden?«, fragte Thomas Ilic.
    »Ein Hundehalter«, erwiderte Bermann.
    »Ein Hoch auf Hundehalter«, sagte Hans Meirich undeutlich.
    Louise dachte an Meirichs Kampfhund Andi Bruckner und fragte sich, wo er war. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass er sich eine Leiche entgehen lassen würde.
    Hintereinander gingen sie weiter.
    Anzugjacke, blutverschmiertes, zerrissenes weißes Hemd. Fleischfetzen, klaffende Stichwunden. Sie zwang sich, die Augen nicht von dem grauenhaft zugerichteten Oberkörper abzuwenden. Die ersten Gedanken zählten.
    Abgestochen in rasender Wut. Einer ohne Hemmungen. Zwei Stiche hätten genügt. Er musste ein Dutzend Mal zugestochen haben.
    »So eine Scheiße«, sagte Bermann.
    Am Rande ihres Bewusstseins nahm sie wahr, dass Thomas Ilic sich abwandte und zurücklief. Sie hörte, dass er sich erbrach. Jemand lachte und klatschte und rief »Hey-ho«. Lubowitz.
    Die Hand des Toten, die sie sehen konnte, war rot vom Blut. Sie nahm den Geruch von Exkrementen, Urin wahr. Erst jetzt sah sie in das Gesicht des Mannes. Mitte dreißig, rundes, braves, erschrockenes Papagesicht, ein Bügel der randlosen Brille am Ohr, die Gläser unter dem Kinn. Blutschlieren auf einer Wange, dem Mund, der Stirn, wo er in seiner Panik und seinem Schmerz hingefasst hatte.
    Sonnenstrahlen lagen auf dem Gesicht.
    »Also?«, sagte Bermann.
    Hans Meirich zuckte die Achseln.
    »Können wir endlich?«, fragte Lubowitz.
    Niemand antwortete.
    Bermann ging vor der Leiche in die Knie. »Derselbe Täter wie bei Eddie?«
    »Wie meinst du das?«, fragte Meirich. Er sagte »meincht« und »dach«.
    Louise löste den Blick von dem Papagesicht. »Einmal mit den Händen, einmal mit einer Stichwaffe?«
    Bermann nickte kaum merklich.
    Die Brutalität, die Hemmungslosigkeit passten. Dazu kam, dass zwei Morde und eine Entführung

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