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Jäger in der Nacht: Kriminalroman (German Edition)

Jäger in der Nacht: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Jäger in der Nacht: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bottini
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er wollte ihr Schmerzen zufügen, und wenn sie geschrien hat, hat er ihr noch mehr wehgetan. Hat sie … geschlagen, getreten, gegen das Bett und die Wand geschleudert. Und er hat ihr … Aber das tut jetzt nichts zur Sache.« Josepha Ettinger brach ab. Ihre Stimme klang noch kühler und distanzierter als bei ihrem Gespräch in Grezhausen.
    »Und der Dritte?«
    »Der Fahrer. Rundes Mondgesicht, randlose Brille, bieder, Anzug von der Stange. Pervers und pädophil, wenn Sie mich fragen. Er wollte, dass sie ›Papa‹ zu ihm sagt. ›Papa, mach Liebe mit mir.‹ Sie haben sie gezwungen, es zu sagen. Als sie es gesagt hat … es hat ihn sehr erregt. Er hat die Kontrolle über sich verloren.«
    »Er ist tot, wir haben seine Leiche heute Morgen gefunden.«
    »Gottes Gerechtigkeit, möchte man meinen. Wie ist es passiert?«
    »Einer der beiden anderen hat ihn ermordet.«
    »Die Tiere bringen sich gegenseitig um.«
    Louise schwieg. Sie wandte sich dem Fenster zu, sah auf das schmale Haus gegenüber. Einer mit Vollbart, Typ Großvater, einer blond, Typ Filmschauspieler. Einer der Polizist, einer der Mörder. Einer in Freiburg, einer hier in Colmar.
    »Welcher von den beiden ist der Polizist?«
    »Das kann ich Ihnen leider nicht sagen. Auf dem Boden lag eine ovale, messingfarbene Metallplakette mit der Aufschrift ›Kriminalpolizei‹ und einem eingravierten Stern. Wem sie gehörte, weiß sie nicht.«
    »Hat sie die Nummer auf der Marke gesehen?«
    »Nein.«
    »Könnte die Marke schon dort gelegen haben, bevor …«
    »Nein«, unterbrach Josepha Ettinger.
    Louise nickte. Ein kurzer Moment der Hoffnung, so rasch vorbei, wie er gekommen war.
    »Wo haben die sie von Freiburg aus hingebracht?«
    »In einen Kellerraum. Oberrimsingen, vermute ich.«
    So viele Lücken blieben, so wenig Zeit. Noureddine, der im Schatten an einem Cafétisch saß. Im Haus wartete Henri auf Anweisungen. Irgendwo der Mann, den sie suchten.
    Ein Großvater mit Vollbart, ein blonder Filmschauspieler.
    Bermann, Thomas Ilic, Alfons Hoffmann kamen nach diesen Beschreibungen nicht mehr in Frage, doch ernsthaft hatte sie sie ohnehin nie in Verdacht gehabt. Genauso Walter Scuma, der sie nicht mochte. Und Reinhard Graeve, der Kripochef – natürlich.
    Holzner, aber der hatte ohnehin nichts damit zu tun.
    Andi Bruckner ein Filmschauspieler? Der schwule Hans Meirich doch ein Großvater mit Vorliebe für junge Mädchen? Auch Jörg Seibold war älter und trug Vollbart. Thomas Breutle war blond und attraktiv. Falls der Kripomann nicht in der Soko war, kamen weitere Kollegen dazu.
    Sie sah auf ihre Notizen. Wrangler, schwarze Lederjacke von Mangoon. Hellblaues Hemd von Boss. Mode und Marken, ein Mädchen, das sich auskannte. Vielleicht ja auch mit Düften. »Hat sie ein Parfüm gerochen?«
    »Sie hat es jedenfalls nicht erwähnt. Soll ich sie fragen?«
    »Ja. Fragen Sie sie, ob einer der Männer nach ›Pascha‹ von Cartier gerochen hat.«
    Der Filmschauspieler.
    Sie rief Henri an, gab die Beschreibung durch. Blond, breites amerikanisches Kinn, um die vierzig. Charmantes Lächeln, freundliche Augen, vielleicht ein hellblaues Hemd von Boss. Äußerst brutal, hat Spaß am Quälen, handelt impulsiv. Passt auf, Henri, er hat zwei Menschen getötet.
    Henri würde in dem Haus gegenüber bleiben, Noureddine mit der Suche beginnen. Seine Skepsis schien verflogen. Sie würden Unterstützung vom Commissariat Central de Colmar anfordern, außerdem die Brigade de Recherche et d’Intervention, das Sondereinsatzkommando in Straßburg. Ein Mörder in Colmar … Sie würden Unterstützung bekommen.
    »Und informier bitte Chervel«, sagte sie abschließend.
    Ben Liebermann wollte mit, Claus Rohmueller wollte mit. Sie schüttelte den Kopf, um Himmels willen – keine Aufgabe für Zivilisten. Sie wandte sich Ben Liebermann zu. Trink dein Wasser, deinen Espresso, Ben. Misch dich nicht ein. Pass auf Rohmueller auf. Sie küsste ihn auf die Wange.
    »Rechnest du wirklich damit, dass du ihn findest, Louise?«
    Sie hielt inne. Ob er wusste, dass er ihr in Osijek dieselbe Frage gestellt hatte?
    Er lächelte düster. Er wusste es.
    Sie zuckte, wie damals, als Antwort nur die Achseln.

    Zahlreiche Menschen auf der Straße, in den Cafés, den Geschäften. An dem Brunnen in der Mitte des Platzes spielten durchnässte Kinder, Mütter standen herum. Ein Albtraum, dachte sie, wenn man einen Mörder stellen wollte. Aber sie wollte ihn nicht stellen. Sie wollte ihn aufscheuchen, verjagen, damit sie

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