Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jäger

Jäger

Titel: Jäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
Vom Netzwerk:
Methoden entdeckt, das menschliche Verhalten zu
kontrollieren. Und das alles, ehe wir auch nur eine Ahnung von DNS
und Genen hatten.«
    Das war zu viel, um es auf einmal zu schlucken. Ich nahm einen
Bissen und kaute ihn durch: »Welche Verbindung könnte es
zwischen Lebensverlängerung und Manipulation des Bewusstseins
geben?«, fragte ich.
    »Konzentrieren wir uns zunächst auf die
Bewusstseinskontrolle«, erwiderte Cousins. »Bakterien sind
wunderbare kleine Fabriken. Sie können nahezu jede Substanz
herstellen, wenn man sie entsprechend programmiert. Und man
programmiert sie, indem man sie mit den passenden Genen versorgt. In
den frühen Dreißigerjahren befasste sich ein Biologe
namens Maxim Golochow an der Universität in Irkutsk mit
riesigen, primitiven Einzellern, die er im Baikalsee gefunden hatte.
Zu seinem Erstaunen entdeckte er, dass die großen Zellen eine
unbekannte Bakterienart rekrutiert hatten, die ihnen bei der
Schaffung eines primordialen Immunsystems half. Noch mehr wunderte er
sich, als er herausfand, dass das System adaptiv –
lernfähig und flexibel – war. Die Bakterien registrierten
die Gegenwart von eindringenden Organismen und produzierten aus
Peptiden negative Abdrücke, die wie Schlüssel und Schloss
mit dem Zielmolekül zusammenpassten. Auf diese Weise machten sie
die Eindringlinge bewegungsunfähig und vernichteten
sie.«
    Mein Blick muss schläfrig gewirkt haben, denn Cousins begann,
schneller zu reden und mit den Händen zu fuchteln.
    »Doch wenn ihre Arbeit erledigt war und sie die
Überreste beseitigten, konnten dieselben Bakterien auch
Abdrücke von den Abdrücken herstellen, wodurch sie ein
Positiv mit den gleichen Eigenschaften wie das Original
reproduzierten. Durch diesen Umkehrungsprozess waren sie in der Lage,
in fast jede organische Substanz ein Gen einzuschleusen, das für
die Reproduktion sorgte. Theoretisch war das fantastisch –
nobelpreisverdächtig. Aber Golochow war mehr daran interessiert,
in seinem politisch heiklen Umfeld zu überleben – die
Mächte zu neutralisieren, die es auf ihn und seine Frau
abgesehen hatten. Um den Ungeheuern in Menschengestalt, die seine
Zeit bevölkerten, von Nutzen zu sein, musste er sich Gedanken
über eine praktische Anwendung seiner Entdeckung machen. Also
ließ er sich ein erstaunliches und damals bahnbrechendes
Forschungsprojekt einfallen… etwas wirklich Schreckliches: Er
beschloss, Bakterien zu reprogrammieren, die normalerweise in
Menschen vorkommen. Sein primäres Problem war, die nötigen
Gene zu übertragen. Er benutzte Phagen…«
    Ich fragte, was »Phagen« seien.
    »Viren, die nur Bakterien angreifen.«
    »Ihnen einen Schnupfen verpassen?«, fragte ich.
    Cousins konnte darüber nicht einmal lächeln. Dies war
sein Ressort, seine Leidenschaft und sein tägliches Brot, hier
hörte der Spaß für ihn auf. »Manche Phagen
befördern Wirtsgene von einem Bakterium zum anderen. Golochow
infizierte E. coli- Bakterien, Kolibakterien…«
    »Wie die in den Brunnen hier in der Gegend?«, fragte
ich.
    Cousins mochte es nicht, unterbrochen zu werden.
»Gewöhnliche Darmbakterien. Ja, sie sind manchmal ein
Anzeichen für Gewässerverschmutzung. Mit Hilfe der Phagen
pflanzte Golochow seinen Bakterien Gene ein, die er durch den
Umkehrungsprozess aus psychotropen Verbindungen in halluzinogenen
Pilzen gewonnen hatte. Er sprühte die veränderten Bakterien
auf Gemüse, das er ungekocht Studenten zu essen gab, die sich
freiwillig dafür gemeldet hatten. Ungefähr eine Woche
später waren die an dem Versuch beteiligten Studenten voll im
Drogenrausch. Und sie blieben es mehrere Monate lang.«
    »Und in den Sechzigerjahren zog er nach San Francisco und
verwandelte sich in Timothy Leary«, griente ich.
    Diesmal schenkte Cousins mir ein müdes, nachsichtiges
Lächeln – ziemlich genau das, was mein Scherz verdiente.
Dennoch hatte ich ihm mit ganzer Aufmerksamkeit zugehört.
»Ehe wir weiterreden, würde ich gerne sehen, was für
Belege Sie haben. Es wäre sinnlos, unsere Zeit zu vergeuden,
falls Banning sich nur eine Räuberpistole zusammengesponnen
hat.«
    »Wie bitte?«, sagte Cousins.
    »Zeigen Sie mir, was Sie haben.«
    Er zog drei dicke Umschläge aus dem Rucksack. Zögerlich
wie eine junge Stripperin, die plötzlich feststellt, wie
schüchtern sie eigentlich ist, breitete er den Inhalt im Schein
einer Zitronengrasduft verströmenden Leuchte auf dem
schmiedeeisernen Verandatisch aus. Die Anti-Insekten-Leuchten
tauchten alles in ein

Weitere Kostenlose Bücher