Jaegerin der Daemmerung
Wand ab. Die Erfahrung, den eigenen Körper vollständig einem Fremden zu überlassen, war das Schlimmste, das er je erlebt hatte. Stärker als jemals zuvor empfand er Xaviers Gier und Grausamkeit als unerträglich. Dieses Mal würde er sich gegen den dunklen Magier stellen.
Ohne Vorwarnung trafen ihn unerträgliche Schmerzen. Seine Augen flogen auf. Panisch glitt sein Blick durch den Raum, um herauszufinden, was mit ihm geschah. Die Heilerde, mit der die Schlafkuhle gefüllt war, zog ihn unwiderstehlich an - wie ein Schatz, dem er nicht widerstehen konnte. Doch selbst als er sich bis zu den Knien in der Erde versinken ließ, linderte das den pochenden Schmerz in seinem Kopf nur unwesentlich.
Zwar war Razvans Körper auch während der Gefangenschaft in Kontakt mit dem Boden gekommen, aber Xavier hatte es ihm nie gestattet, sich in reichhaltiger, verjüngender Erde zu regenerieren. Halb lebendig musste er in den Eishöhlen vor sich hin vegetieren. Jetzt war Razvan sich nicht sicher, ob er nach all den Jahrhunderten in der Kälte überhaupt noch so dicht unter oder sogar auf der Erde überleben könnte. Diese Heilerde hier erfüllte ihn mit neuer Kraft, doch den Schmerz konnte sie ihm nicht nehmen.
Xavier, dem es nicht gelungen war, in seine Gedanken einzudringen, musste weit, weit weg sein. Dennoch spürte Razvan, wie rasierklingenscharfe Zähne an seiner Schulter zerrten, Muskeln, Sehnen und Knochen durchtrennten und unzählige todbringende Parasiten in seinen Wunden hinterließen. Bei lebendigem Leibe wurde er aufgefressen. Eine gerechte Strafe für einen wie ihn. Schließlich hatte er mit ansehen müssen, wie sich seine Zähne in die Haut des schmalen Handgelenks seiner Tochter geschlagen und an ihr genagt hatten, als wäre sie nur ein Knochen, ein Stück Fleisch.
Razvan spürte, wie sich Säure durch seine Haut fraß, wie ihm ätzendes Vampirblut in Strömen über Schulter, Brust, Arme und Hände lief. Er kannte das Gefühl - unzählige Male hatten seine Hand- und Fußgelenke und selbst sein Rücken von den mit Vampirblut bestrichenen Fesseln gebrannt. Das war seine Strafe dafür gewesen, dass es ihm nicht gelungen war, seine Familie vor Xavier zu beschützen. Hin und wieder hatte er sich gegen den dämonischen Zauberer aufgelehnt, doch er war nie stark oder klug genug gewesen, um ihn zu besiegen.
Sengender Schmerz explodierte jetzt zwischen seinen Rippen, flutete durch seinen Körper. Razvan, der die unerträglichsten Schmerzen gewöhnt war, hatte vor langer Zeit gelernt, mit Höllenqualen zu leben. Normalerweise konnte er ihn ausblenden.
Doch dieses Mal war irgendetwas anders. Alles war so weit weg. Das war nicht sein Schmerz, die Reaktion gelassen, aber eindeutig weiblich. Ivory schwebte in Gefahr. Sofort rückte alles andere in den Hintergrund. Plötzlich hatte sein Leben nur noch den einen Sinn - seine Retterin um jeden Preis vor ihren Feinden zu beschützen.
Er machte seinen Geist frei und verdrängte all die Emotionen, mit denen er immer noch nicht umgehen konnte. Vor seinem inneren Auge ließ er ein Bild entstehen, so wie er sie sah: sanft und weiblich, eine liebende Frau, die hierher gehörte, in dieses Heim voller Schönheit.
Ivory. Du steckst in einer Notlage. Sag mir, wie ich zu dir gelangen kann.
Es dauerte einen Augenblick, ehe sie antwortete. Sie sind auf der Jagd nach dir.
Razvan hütete sich, ihr Widerworte zu geben. Sie war verletzt und von Feinden umzingelt. Deutlicher, als es ihm lieb war, spürte er das Brennen von Vampirblut. Genau wie den pochenden Schmerz in ihrer Schulter und ihren Rippen sowie das Zittern, das von körperlicher Schwäche herrührte. Nicht minder scharf spürte er ihre Verzweiflung, sich nicht aus eigener Kraft aus der misslichen Lage befreien zu können, egal, wie entschlossen sie auch sein mochte.
Razvan schickte Ivorys Geist seine Kraft und Stärke, während er in ihren Erinnerungen nach der Information suchte, die er benötigte.
Halte sie hin. Ich bin gleich bei dir. Solange du mit ihnen redest, werden sie dich nicht angreifen.
Mir bleibt nicht viel Zeit. Meine Kräfte schwinden.
Ich werde kommen, Ivory. Gib die Hoffnung nicht auf. Obwohl Razvan wusste, dass sie aus gutem Grund niemandem vertraute, schickte er ihr Gedanken voller Entschiedenheit und Willenskraft. Aber gerade ihn sollte sie fürchten und hassen, denn er hatte Xaviers Gene geerbt.
Fast im selben Augenblick öffnete sich ein Riss in der Felswand, geschickt im Schlafzimmer versteckt, durch
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