Jägerin der Dunkelheit - Feehan, C: Jägerin der Dunkelheit - Shadow Game (Ghost Walkers # 1)
zu bewahren, dass ihm etwas zustieß, grenzte schon an Besessenheit.
Lily blickte zu Ryland auf und ertrank in dem unverhohlenen Verlangen, das sie in seinen Augen sah. Niemand hatte ihr gesagt, dass es so sein würde, ein ungezügeltes Begehren, das über ihre Haut kroch, ihr Blut aufheizte und eine Gier in ihr hervorrief, die so tief und so elementar war, dass sie es kaum ertrug, von ihm getrennt zu sein.
Sie wandte sich von ihm ab, da sie nicht in der Lage war, ihm noch länger ins Gesicht zu sehen. Das wusste er bestimmt, denn er konnte mühelos in ihr Inneres hineinblicken. Die Chemie zwischen ihnen geriet außer Rand und Band. Manchmal fürchtete sie, wenn er nicht hinter den Gitterstäben eingesperrt wäre, würde sie alles mit ihm tun, an Ort und Stelle, ungeachtet der laufenden Kameras.
»Hör auf damit.« Seine Stimme war heiser und klang gequält. »Ich kann mich nicht von der Stelle rühren, nicht einen einzigen Schritt. Jetzt bist du diejenige, die ihre Fantasien projiziert. Du bringst mich durcheinander, bis ich nicht mehr klar denken kann.«
»Es tut mir leid«, flüsterte sie und wusste, dass er die Worte hören konnte. Sie drehte sich nicht um und hielt ihr Gesicht weiterhin abgewandt. »Du hast schon seit Tagen nicht mehr geschlafen. Möchtest du vielleicht etwas, was dir dabei hilft?«
»Du weißt, warum ich nicht schlafen kann. Du kannst auch nicht schlafen. Verdammt noch mal, du fürchtest dich vor dem Schlaf.« Er hatte die Stimme gesenkt, und sein schwelender Tonfall strich über ihre Haut, sickerte in ihre Poren und streichelte ihren Körper, bis jede Zelle vor Gier prickelte und gereizt nach ihm verlangte. Wenn
ich schlafe, träume ich von dir. Von deinem Körper unter meinem. Von meinem Körper tief in deinem.
Sie wusste, dass er von ihr träumte, von ihren Körpern, die unlösbar miteinander verwoben waren. Sie teilte seinen erotischen Traum, seine zügellosen Fantasien, obwohl für sie keine Hoffnung bestand, in der Realität mithalten zu können. »Das ist eine Komplikation, mit der wir nicht gerechnet haben.« Sie räusperte sich, denn ihre Stimme klang heiser und ihr selbst fremd. »Mehr ist es nicht, Ryland. Mit genügend Disziplin können wir uns darüber hinwegsetzen.«
»Sieh mich an.«
Lily blickte zu ihm auf. Bevor sie sich selbst daran hindern konnte, war sie schon auf ihn zugegangen. Seine Hände streckten sich durch die Gitterstäbe und fanden ihre, während sie noch spürte, welche Energien er verströmte, um sich an den elektronischen Geräten zu schaffen zu machen.
»Was ist los, Kleines?« Er war größer und kräftiger als sie, und sein muskulöser Körper schmiegte sich durch die Gitterstäbe schützend an sie. »Sprich mit mir. Sag mir, was du gefunden hast.«
Lily lauschte dem Meeresrauschen im Hintergrund, und die Geräusche des Wassers wirkten beschwichtigend auf sie, obwohl die Wellen zornig klangen. Sie stellte sich vor, wie sie zur Küste strömten und gegen die Felsen schlugen. Weiße Gischt sprühte hoch in die Luft auf. Sie wünschte, sie könnte brüllen wie die Wellen und mit ihren ungezügelten Emotionen auf das weite tosende Meer entkommen, statt sich einfach nur eine Tonkonserve anzuhören.
»Ich war ein Experiment, Ryland.« Sie sagte die Worte so
leise, dass er sich anstrengen musste, um sie aufzuschnappen. »Genau das war ich für ihn. Ein Experiment und nicht etwa seine Tochter.« Sie schmeckte die Bitterkeit des Verrats, als sie die Worte laut aussprach und ihre Welt um sie herum einstürzte.
Er blieb stumm, hielt sie durch die Stäbe an sich geschmiegt und fühlte den Schmerz in ihr wie ein eigenständiges Lebewesen. Ryland wollte nichts Falsches sagen oder tun, denn Lily stand dicht davor, wie Glas zu zersplittern, und daher gab er keinen Ton von sich.
Lily holte tief Luft, um sich zu beruhigen, und atmete dann langsam wieder aus. »Ich habe sein geheimes Labor gefunden. Alles war da. Videokassetten von mir und von anderen Kindern. Ein Raum, in dem er uns untergebracht hatte. Dort haben wir gegessen und geschlafen und uns seinen Tests unterzogen. Ich bin nach strengen Vorschriften ernährt worden, immer nur vom Besten und Nahrhaftesten, und ich habe nur pädagogisch wertvolle Lehrfilme gesehen. Als Lesestoff wurde mir ausschließlich Lehrmaterial vorgesetzt. Jedes Spiel war dazu gedacht, meine übersinnlichen Fähigkeiten zu stärken und mich weiterzubilden.« Sie fuhr sich mit bebender Hand durch das Haar. »Ich wusste nichts von
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