Jägerin der Nacht 01 - Nightwalker
mich zu Jabari umdrehte, unterdrückte ich den spontanen Drang, das Schwert auf seine Brust zu richten. Es war nicht nötig, ihn noch mehr gegen mich aufzubringen. Wir hatten schon genug Probleme. „Bist du für uns oder gegen uns?", fragte ich ihn.
„Uns? Wen meinst du?", entgegnete er spöttisch und ballte die Hände zu Fäusten. „Menschen? Jäger?" „Alle, die gegen die Naturi kämpfen wollen. Mir sind Nachtwandler wie auch Jäger willkommen. Die Frage meiner Loyalität können wir ein andermal diskutieren." Jabari richtete sich zu seiner vollen Größe auf und straffte die Schultern. „Ich hege keine Zuneigung für die Naturi." „Prima, dann bleib hier", sagte ich und versuchte, nicht darüber nachzudenken, dass ich einem Ältesten Befehle erteilte. Dafür musste ich zweifelsohne später bezahlen - falls es ein Später für mich gab. Ich wendete mich den anderen beiden Vampiren im Raum zu. Tristan stand hinter Sadira und hatte die Arme um ihre schmalen Schultern gelegt, als wolle er sie trösten, aber die Angst in seinen großen blauen Augen sprach für sich. Er hatte in der vergangenen Nacht mit mir gegen eine kleine Gruppe Naturi gekämpft, und ich hatte nur knapp überlebt. Er war nicht gerade erpicht darauf, das Schicksal erneut herauszufordern.
„Du bist im Gegensatz zu Jabari und Sadira entbehrlich", sagte ich und zeigte mit dem Schwert auf ihn. „Du musst die beiden um jeden Preis beschützen." „Wo willst du hin?", fragte er und umklammerte Sadira noch ein bisschen fester. „Ich will sehen, ob ich noch mehr Hilfe finden kann", rief ich über die Schulter und verließ, gefolgt von Danaus, den Raum.
Als er die Tür schloss, blieb ich im Korridor stehen und sah mich um. Es gab zu viele Zimmer, zu viele Türen und Fenster in diesem Haus. „Wie viele Eingänge gibt es im Erdgeschoss?", fragte ich. Danaus überlegte kurz. „Drei. Die Haustür, die Hintertür in der Küche und den Seiteneingang vom Garten her." „Ganz zu schweigen von den Fenstern in jedem Zimmer", murmelte ich vor mich hin. „Wir könnten in den Keller gehen", schlug er vor. „Da sind keine Fenster, und es gibt nur einen Eingang." „Dann säßen wir in der Falle." Ich schüttelte den Kopf.
„Sie müssten nur bis zum Morgengrauen abwarten und dann herunterkommen, um alle abzuschlachten. Außerdem sind sie ja nur hinter uns her. Ich würde die Naturi gern von eurer Bibliothekarsversammlung da unten fernhalten." Ich ging auf die Haustür zu, die inzwischen wieder geschlossen war. Bis auf meine Schritte auf dem Holzboden war es totenstill im Haus. „Wo ist Ryan?"
„Hier oben", ertönte es müde von der Treppe. Ich schaute nach oben und sah den Magier im ersten Stock auf der obersten Stufe sitzen. Ihm stand der Schweiß auf der Stirn, und er hatte sein Jackett abgelegt und die Ärmel seines Hemds hochgekrempelt. Seine Kräfte erfüllten das Treppenhaus, als läge elektrische Spannung in der Luft.
Da ich mich auf die anrückende Horde konzentriert hatte, merkte ich erst in diesem Moment, von wie viel Macht ich umgeben war. „Wie lange wehrst du sie schon ab?", fragte ich beeindruckt. Die Luft knisterte vor magischer Energie, doch ich spürte, wie sie allmählich nachließ. „Du denkst nicht, dass ich sie gerufen habe?", fragte er überrascht. „So dumm bist du nicht!" „Danke." Er schenkte mir ein schiefes Grinsen. „Ich tue, was ich kann, um sie abzuwehren, aber lange halte ich nicht mehr durch."
„Spar dir die Mühe", sagte ich und winkte ab. Der Zauber, mit dem er das Haus schützte, hatte ihn ziemlich erschöpft, aber er brauchte seine Kräfte noch. „Geh zu deinen Leuten in den Keller. Die Naturi sind eigentlich hinter uns her, aber ich lege meine Hand nicht dafür ins Feuer, dass sie zum Spaß nicht auch ein paar Menschen umbringen."
Danaus stieg die Treppe hinauf und half Ryan auf die Beine. Dann stützte sich der Magier auf seine Schulter und ließ sich von ihm in den ersten Stock führen. Er war noch etwas wacklig auf den Beinen, aber er schien sich langsam wieder zu erholen. Da ich die beiden Männer nun zum ersten Mal nebeneinander sah, konnte ich sie vergleichen, und mir wurde bewusst, dass mir Danaus' Augen besser gefielen.
In ihren kobaltblauen Tiefen war mehr Menschliches als in Ryans goldglänzenden Augen, etwas, das von Hoffnung kündete. Dieses Etwas fehlte bei Ryan - ein Umstand, den ich höchst interessant fand. Danaus hatte von sich gesagt, er sei verdammt - der Hölle geweiht -, dennoch lag
Weitere Kostenlose Bücher