Jägerin der Nacht 01 - Nightwalker
Antwort hatte. Zum Beispiel, wie Danaus Nerian überhaupt hatte gefangen nehmen können. Die Naturi kämpften stets bis zum bitteren Ende. Benutzte Nerian den Jäger etwa, um an mich heranzukommen?
Aber Danaus schien mir nicht der Typ zu sein, der sich benutzen ließ.
Ich bemühte mich um eine gleichgültige Miene, als ich ihm die Straße hinunter in ein noch finstereres Viertel im Norden der Stadt folgte. Je weiter wir uns vom Zentrum und den gepflegten Parks entfernten, desto schmutziger und löchriger wurden die Straßen, und die Abstände zwischen den Lampen wurden immer größer. Die Häuser mit ihren durchhängenden Dächern schienen sich von der Last der jahrelangen Vernachlässigung gebeugt aneinander anzulehnen. Es war erst zwei Stunden nach Mitternacht, doch die Straßen waren bereits wie ausgestorben.
Wir waren einige Blocks vom Club entfernt, als ich stehen blieb. Danaus trat an meine Seite und griff an seinen Gürtel. „Wenn du den Naturi-Dolch ziehst, reiße ich dir den Arm ab", zischte ich mit zusammengebissenen Zähnen. Aus den Augenwinkeln sah ich ihn nicken, bevor seine Hand weiter nach hinten wanderte. „Wir werden verfolgt."
Ich hatte den armen Narren schon beim Verlassen des Clubs gespürt, war aber erst stehen geblieben, nachdem der Nachtwandler den Abstand zu uns deutlich verringert hatte. Vorerst sollte niemand etwas von den Naturi erfahren. Ich wollte erst einmal herausfinden, was überhaupt vor sich ging und wie groß der Schaden war, bevor sich die Sache herumsprach.
Es gab immer noch ein paar Naturi auf der Erde; sie versteckten sich in den Wäldern und Dschungeln und hielten sich von den Menschen fern. Es gab keinen Grund, Panik zu verbreiten, wenn es sich vielleicht nur um ein paar zufällige Sichtungen handelte.
Um keine wertvolle Zeit zu vergeuden, breitete ich meine Sinne in alle Richtungen aus. Die Macht strömte durch die Gebäude und sendete leichte Vibrationen von den Leuten an mich zurück, die friedlich in ihren Betten lagen. Ich konnte alle anderen Nachtwandler in der Stadt spüren, die gerade mitten in ihren nächtlichen Aktivitäten waren. Sie hielten einen Augenblick inne, als sie von der Magie gestreift wurden, dann widmeten sie sich wieder ihren Vergnügungen. Sie wussten, dass sie nicht gemeint waren.
Doch kaum hatte ich den Gesuchten geortet, reagierte er auch schon. Innerhalb eines Sekundenbruchteils überwand er die zwei Blocks, die zwischen uns lagen. Ich wollte Danaus noch warnen, doch da hatte sich der Vampir bereits auf ihn gestürzt.
Danaus ging zu Boden, nutzte aber seinen Schwung, um den Vampir abzuwerfen, und war nach einer Rückwärtsrolle wieder auf den Beinen. Der blonde Vampir erhob sich ebenfalls und hätte erneut angegriffen, wenn ich nicht zwischen die beiden getreten wäre. Für so einen Unsinn hatte ich weder Zeit noch Geduld. Zuerst brachte Joseph meinen Terminkalender durcheinander, und jetzt auch noch Lucas - ich hatte wirklich Wichtigeres zu tun.
„Stopp!", rief ich und hob die Hände, um die beiden Kampfhähne zu trennen. Lucas funkelte Danaus böse an, doch dann richtete er sich auf und sah mich voller eitler Selbstzufriedenheit an. Es juckte mich in den Fingern, ihm diesen Ausdruck aus dem Gesicht zu dreschen, doch ich ballte die Hände zu Fäusten und ließ sie sinken.
Lucas war nicht sehr groß, ungefähr eins siebzig, und er hatte blonde Locken. Mit seiner zierlichen Figur und den weichen Gesichtszügen wirkte er beinahe feminin und zerbrechlich. Doch die Kälte und Grausamkeit, die aus seinen nordischen blauen Augen sprach, strafte sein engelgleiches Erscheinungsbild Lügen.
„Dann stimmt es also, was man hört", sagte er mit unverhohlener Belustigung und bleckte lächelnd die Zähne. „Du lässt deine Leute seinetwegen im Stich."
Verdammt, Neuigkeiten machten unter Vampiren wirklich schnell die Runde. Aber ich hätte es mir ja denken können, immerhin besaßen wir telepathische Fähigkeiten. Jeder Nachtwandler in der Stadt wusste von meiner Begegnung mit Danaus. Ich hatte sie zu sehr genossen, um meinesgleichen nicht wenigstens an ein paar Eindrücken teilhaben zu lassen. Ich hatte sie von meinen Empfindungen und den Momenten der Gewalt kosten lassen wie von einem edlen Wein. Aber seit unserem ersten Treffen waren zwei Nächte vergangen, und viele von den Jüngeren wunderte es, dass der Jäger immer noch in der Stadt herumlief. Da ich aber im Lauf der Jahre gelernt hatte, vorsichtig zu sein, hatte ich ihn nicht gleich
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