Jägerin der Nacht 01 - Nightwalker
getötet, sondern wartete auf Informationen aus der Alten Welt. Wissen bedeutete ebenfalls Macht und hatte letztendlich einen höheren Wert als ein rascher Genickbruch.
Außerdem hatte ich Danaus lange genug beobachtet. Ich wusste, dass er genug Ehre im Leib hatte, um nicht weiter in meinem Revier zu jagen, bis unsere Sache erledigt war.
Ich seufzte genervt und ließ die Schultern hängen. „Du bist doch verrückt!" „Dann geh zur Seite und lass mich seinen Tod genießen", entgegnete er leichthin, als ginge es lediglich darum, wer von uns beiden das letzte Stück vom Schokoladenkuchen bekam. „Sein Leben gehört mir. Er wird erst sterben, wenn ich es wünsche, und zwar von meiner Hand", sagte ich mit eiskalter Stimme. Ich machte einen Schritt auf Lucas zu, doch er wich nicht zurück. Nur sein Lächeln schwand.
Lucas war schon immer ein Idiot gewesen. „Die anderen Nachtwandler in dieser Stadt wissen, dass sie ihn nicht anrühren dürfen, es sei denn, er greift sie an. Und du kannst ihn gar nicht töten. Wenn ich nicht Dringenderes zu tun hätte, würde ich gern dabei zusehen, wie er dir das Herz aus dem Leib schneidet." Ich war ihm so nah gekommen, dass sich unsere Nasen fast berührten. Mit meinen Absätzen war ich ein wenig größer als er; gerade genug, um auf ihn hinabzusehen.
Lucas' hellblaue Augen verdunkelten sich vor Zorn und wurden fast schwarz. Seine Macht durchströmte mich wie eine kühle Brise und verharrte vibrierend in der Luft. Doch ich hatte nichts zu befürchten. Dieses blonde Monster mit dem Engelsgesicht war erst ein paar Jahrhunderte alt und hatte mehr Selbstbewusstsein als echte Stärke.
„Warum bist du hier?", fragte ich, als er schließlich einen Schritt zurückwich. „Ich wurde geschickt, um nach dir zu sehen", entgegnete Lucas. Das selbstgefällige Lächeln spielte wieder um seine Mundwinkel, und seine Augen wurden heller. „Warum hast du dich nicht früher gemeldet? Du bist schon über eine Woche in meiner Stadt." Er zuckte ungerührt mit den Schultern und schob die Hände in die Hosentaschen. „Ich bin der Gefährte von Macaire. Ich kann gehen, wohin ich will."
Ich packte ihn unvermittelt am Kragen seines roten Seidenhemds und hätte fast gelacht, als ich den überraschten Ausdruck in seinem hübschen Gesicht sah, bevor ich ihn quer über die Straße in eine dunkle Gasse schleuderte. Als ich Mülltonnen scheppern hörte, ging ich ihm nach. Er hatte sich gerade wieder aufgerappelt, als ich näher kam, und er fing an zu knurren, während er sich hastig Essensreste und anderen Unrat von der Hose wischte.
Es war schon ein Weilchen her, seit ich zuletzt gegen jemanden gekämpft hatte, der etwas aushalten konnte.
Das Gerangel mit Danaus hatte Spaß gemacht, war jedoch nur ein kurzes Vergnügen gewesen. Lucas verkraftete einiges und stand auch nach ein paar Runden noch einmal auf.
Der junge Vampir stürzte sich mit ausgefahrenen Krallen auf mich. Ich packte ihn mit einer Hand am Hals und schleuderte ihn gegen eine Mauer. Hinter mir kam Danaus mit beinahe lautlosen Schritten in die Gasse. Unter normalen Umständen hätte ich Hackfleisch aus Lucas gemacht, doch leider hatte ich in dieser Nacht noch etwas anderes zu erledigen. Naturi-Angelegenheiten und die Wahrung des Geheimnisses hatten stets Vorrang vor allem anderen.
„Es interessiert mich nicht, ob du Macaires neuster Arschkriecher bist. Ich bin die Hüterin dieser Stadt, und du wirst mich mit dem gebotenen Respekt behandeln!" Ich hob die linke Hand und spreizte die Finger, und schon tanzten blaue Flammen in meinem Handteller.
Lucas schreckte vor dem Feuer zurück und versuchte, sich aus meinem Griff herauszuwinden. „Perfavore, Mira! Mia signora!", rief er, obwohl er gar kein Italiener war. Ich hatte keine Ahnung, woher er kam; nach seinem leichten Akzent zu urteilen hatte er möglicherweise slawische Wurzeln. Doch der Konvent hatte seinen Sitz in Italien, und früher oder später lernten alle Nachtwandler, auf Italienisch zu flehen. „Ich . . ich wurde von den Ältesten geschickt. Sie sind besorgt." „Weshalb?", fragte ich mit einem flauen Gefühl in der Magengrube. Wussten sie etwa auch von den Symbolen? Es bedeutete grundsätzlich nichts Gutes, wenn sich die Ältesten für einen interessierten. „Die Menschen .. sie stellen allmählich zu viele Fragen."
„Sie haben schon immer Fragen gestellt. Das ist doch nichts Neues!" Die Menschheit stellte schon seit Jahrhunderten Vermutungen über die Existenz von
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