Jägerin der Nacht 01 - Nightwalker
Besuch nicht angekündigt hatte, war Knox natürlich überrascht, mich zu sehen. Er deutete mit dem Kopf nach rechts und verschwand. Ich bahnte mir einen Weg durch die Tanzenden und traf ihn im hinteren Teil des Lokals wieder, wo er eine Tür öffnete. Der Club verfügte über mehrere private Räume, in denen man sich stärken und anderen Aktivitäten nachgehen konnte. Jemandem Blut abzuzapfen war allerdings das Einzige, was im Saal explizit verboten war.
Als ich an Knox vorbeiging, wischte er mir mit dem Zeigefinger einen Blutfleck vom Arm, den ich übersehen hatte. „Sieht aus, als hättest du einen interessanten Abend gehabt", sagte er gedehnt. „War's der Schlächter?" Ich hielt seine Hand fest, als er den Finger ablecken wollte, um von meinem - wie er glaubte - opulenten Mahl zu kosten. „Nein, ein Naturi."
Knox wich zurück, riss sich von mir los und wischte sich voller Panik die Hand an der Hose ab. Dabei fluchte er kräftig auf Deutsch vor sich hin. Ich gab ihm etwas Zeit, um sich zu beruhigen. Er war knapp eins achtzig groß und ziemlich drahtig; im Grunde schien er nur aus Knochen und Muskeln zu bestehen. Er war knapp zweihundert Jahre alt, also noch recht jung, jedoch sehr mächtig und intelligent für sein Alter. Aber wenn man bedachte, wer ihn erschaffen hatte, war das nicht verwunderlich. Valerio wandelte nur höchst selten einen Menschen um, und wenn er es tat, dann stets mit allergrößter Sorgfalt.
Knox war vor zwei Jahrzehnten in mein Revier gezogen, und wenig später hatte ich ihn zu meinem Assistenten gemacht. Wir hatten keine offizielle Bezeichnung dafür, aber er war so etwas wie mein Stellvertreter. Schon seine Präsenz half, den Frieden zu wahren. Ich setzte ihn jedoch nie als Vollstrecker ein. Obwohl er dieser Aufgabe durchaus gewachsen war, zog ich es vor, solche Dinge persönlich zu regeln.
„Der Schlächter steckt mit den Naturi unter einer Decke?", fragte Knox, nachdem er sich wieder gefasst hatte. „Eigentlich hat er mir einen Naturi zum Geschenk gemacht", gab ich achselzuckend zurück und ging an dem schwarzen Ledersofa vorbei ans andere Ende des Zimmers, wo ich mich mit dem Rücken zur Wand auf den Boden sinken ließ und die Beine anzog. Ich war erschöpft und brauchte etwas Ruhe zum Nachdenken. Knox schob das Sofa mit dem Fuß zu mir herüber und setzte sich. „Er kommt in dein Revier, tötet fünf Nachtwandler, und dann schenkt er dir einen Naturi? Verzeih mir, wenn ich auf dem Schlauch stehe, aber was soll das?"
„Es ist ein bisschen komplizierter", murmelte ich, warf das blutverschmierte T-Shirt zur Seite und krallte meine Finger in den dicken schwarzgrauen Teppich. „Das will ich hoffen", sagte Knox.
Ich lehnte den Kopf gegen die Wand und beobachtete ihn dabei, wie er sich eine Strähne seiner sandblonden Haare aus der Stirn strich. Im Lauf der Jahre hatte ich mich an seinen trockenen Humor und seinen beruhigenden Einfluss gewöhnt. Es brauchte schon einiges, um ihn aus dem Konzept zu bringen, aber wie aus seinen angespannten Gesichtszügen zu schließen war, machte ihn das Thema Naturi durchaus nervös. Ich war froh, dass Valerio sich Zeit dafür genommen hatte, Knox über dieses unheilvolle Kapitel unserer Geschichte aufzuklären.
„Ich muss eine Weile die Stadt verlassen", sagte ich. Es ging mir zwar gegen den Strich, nicht da zu sein, wenn sich Naturi in meinem Revier herumtrieben, aber ich musste ihnen Einhalt gebieten, und die Antworten, die ich brauchte, würde ich hier nicht finden. „Wegen des Schlächters oder wegen der Naturi?" „Beides. Sag bitte allen, dass sie in der Stadt bleiben sollen, solange ich weg bin. Niemand darf allein jagen, bis ich zurückkehre oder mich melde und das Verbot aufhebe. Und sag nichts von den Naturi. Ich will nicht, dass Panik ausbricht." Knox rieb sich die Stirn und starrte einen Moment lang ins Leere. „Das wird .. schwierig."
Ich wusste, was er meinte. Wir trafen uns zwar häufig im Dark Room, aber eigentlich waren Nachtwandler Einzelgänger und von Natur aus eigenständig. Wenn man Vampire dazu zwang, über einen längeren Zeitraum dicht beieinanderzubleiben, war Ärger vorprogrammiert. Aber ihnen zu sagen, dass die Naturi im Anzug waren, machte es nur noch schlimmer.
„Ich hoffe, dass ich die Angelegenheit schnell regeln kann. Wo ist Amanda?" „Auf einem Konzert an der Uni", entgegnete Knox. Die Universität von Savannah war zwar relativ klein, doch sie richtete oft Veranstaltungen mit allen möglichen bekannten
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