Jägerin der Nacht 01 - Nightwalker
gegenseitig wie zwei kampfbereite Katzen. „Vertreibt der Hass die Albträume? Hilft er dir, Kreta zu vergessen .. und Calla?"
„Ich habe dich davor gewarnt, ihren Namen auszusprechen!", sagte ich leise. Mein ganzer Körper war bis zum Zerreißen angespannt. „Du hast sie verlassen, und weil dich Gewissensbisse plagen, schiebst du mir die Schuld in die Schuhe. Du kannst nicht ewig vor uns beiden davonlaufen", sagte Sadira und kam einen Schritt auf mich zu. Sie wollte mir über die Wange streichen, doch ich hob rasch meine Hand, die vollkommen von Flammen eingehüllt war, worauf Sadira bestürzt die Augen aufriss.
Vor Sadira hatte ich ein Leben gehabt. Ein kurzes, unsicheres Menschenleben, aber es war mein Leben gewesen. Ich hatte eine Familie gehabt, die ich liebte, und einen festen Platz in meiner kleinen Welt, in der es weder Nachtwandler noch Folter gegeben hatte. Nicht einmal meine Kräfte hatten in dieser Welt eine Rolle gespielt, da ich beschlossen hatte, diese einzigartige Fähigkeit zu verbergen und einen Neuanfang zu machen.
Doch eines Nachts war Sadira in meine Welt eingedrungen und hatte mich entführt. Sie hatte damit gedroht, alle zu töten, die ich liebte, wenn ich nicht an ihrer Seite blieb. Also war ich trotz Demütigungen, Schmerzen und permanenter Angst bei ihr geblieben.
Ungefähr vier Jahre verbrachte ich als Mensch an ihrer Seite. In dieser Zeit stellte ich fest, dass ich als normaler Mensch niemals so gut sein würde wie als Vampir. Die Nachtwandler um Sadira fürchteten mich und meine Kräfte. Und das aus gutem Grund: Sadira hatte mir alles beigebracht, was sie über Folter und Manipulation wusste. Als dann die Pest Europa heimsuchte, hatte sie mir angeboten, mich zum Nachtwandler zu machen, um mir so das Leben zu retten. Ich hatte eingewilligt und mich ein für alle Mal von meinem alten Leben abgewendet.
Ich hasste Sadira dafür, dass sie mich weggeholt hatte. Ich hasste mich dafür, dass ich Ja gesagt hatte, weil ich nun nicht mehr das sein konnte, was ich eigentlich sein wollte: ein normaler Mensch.
Ich breitete die Hände aus und ließ gelborangefarbene Flammen darauf tanzen. Als ich die Hände sinken ließ, schwebten die Flammen haltlos in der Luft. Sadira wich verunsichert einen Schritt zurück und starrte sie wie gebannt an. Sie kannte meine Feuertricks, hatte mir früher sogar befohlen, sie ihr vorzuführen, aber ich hatte im Lauf der Jahrhunderte einiges dazugelernt.
Sadira hatte noch nie gesehen, wie ich die Luft selbst in Brand setzte. Ich nickte kaum merklich, und die Flammen schössen auf sie zu. Weniger als einen halben Meter von ihr entfernt wichen sie auseinander und begannen sie einzukreisen. Sadira verschränkte die Arme vor der Brust und schaute hektisch von rechts nach links, um die Flammen im Auge zu behalten. Sie hatte Angst.. und das zu Recht.
„Ich habe sie verlassen, weil ich keine andere Wahl hatte. Du hättest sie sonst getötet", sagte ich. Es war mir unmöglich, Callas Namen auszusprechen. Ich hatte seit Jahrhunderten nicht an sie gedacht, aber Sadiras niederträchtige Bemerkung hatte die alte Wunde wieder aufgerissen. „Und dich habe ich verlassen, weil ich dich getötet hätte, wenn ich bei dir geblieben wäre. Da du mich erschaffen hast, habe ich dich aus Dankbarkeit verschont. Ich bin dir nichts mehr schuldig."
Als Sadira mich ansah, entdeckte ich eine Mischung aus Wut und echter Verwirrung in ihren Augen. Ein Teil von ihr verstand meinen Hass tatsächlich nicht. Sie tat alles, um ihre Kinder zu schützen, aber das bedeutete gleichzeitig, dass sie sie hundertprozentig kontrollierte. Und wie sehr sie sich auch bemüht hatte, über mich konnte sie keine absolute Herrschaft gewinnen. Früher einmal hatte ich mich ihr aufgrund der Qualen beugen müssen, die sie mir zufügte, aber das war kein Zustand von Dauer gewesen.
Danaus trat in mein Gesichtsfeld und sah mich missbilligend an. Sagen musste er nichts. Mit dieser Streiterei vergeudeten wir nur Zeit, die wir nicht hatten. Ich musste Sadira auf meine Liste der noch zu erledigenden Angelegenheiten setzen. Wenn die Naturi mich nicht töteten, würde ich mich zu einem späteren Zeitpunkt mit ihr und meiner Vergangenheit befassen.
„Lassen wir das!" Ich wedelte kurz mit den Händen, und die Flammen lösten sich in Rauch auf. Dann trat ich ans Fenster, das auf die Straße hinausging, schob die dünne weiße Gardine zur Seite und beobachtete eine Weile den Verkehr. Als ich mich wieder umdrehte, sah alles
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