Jägerin der Nacht 01 - Nightwalker
genauso aus, wie ich es beim Betreten der Suite vorgefunden hatte; als wäre nichts geschehen. Sadiras Gesicht war völlig ausdruckslos, doch das bedeutete nicht, dass sie mir vergeben hatte. Ein Vampir griff niemals einen anderen Vampir an, der doppelt so alt war wie er selbst. Und man griff seinen Schöpfer nicht an - es sei denn, man war sicher, dass man ihn töten konnte. Sadira operierte zwar unter dem Deckmantel der Liebe und Obhut, doch sie unterschied sich im Grunde nicht von den anderen.
Sie würde mich bei der erstbesten Gelegenheit attackieren, doch darum machte ich mir keine großen Sorgen. Sie konnte mich verletzen, aber sie würde nicht versuchen, mich zu töten. Ich war ein kostbarer Schatz, und sie wollte mich, gebrochen und folgsam, an ihrer Seite haben.
„In Konark hat eine Opferung stattgefunden, und die Naturi haben mich bereits zweimal angegriffen", sagte ich in dem Bemühen, die jüngsten Ereignisse in knapper Form zusammenzufassen, was gar nicht so einfach war. Durfte ich die Toten in meinem Revier und die Angst, die mich jedes Mal ergriff, wenn ich vor die Tür ging, einfach unterschlagen? „Wir glauben, dass sie alle vernichten wollen, die Machu Picchu überlebt haben." „Wir?", fragte Sadira und warf einen Blick auf Danaus. „Jabari und ich", korrigierte ich ihre Vermutung umgehend. „Da Tabor tot ist, sind von der Triade nur du und Jabari übrig. Ich weiß nicht, wer in jener Nacht sonst noch auf dem Berg war, aber es haben nicht viele von uns überlebt."
Sadira nahm mich stirnrunzelnd ins Visier und stützte das Kinn in die Hand. „Was weißt du noch von dieser Nacht?" „Nicht viel. Ich weiß nur noch, wie ihr gekommen seid und Jabari mich gerettet hat und in seinen Armen hielt und dass du und Tabor auch dabei wart. Abgesehen davon erinnere ich mich an nichts .. außer an Licht und an .. Schmerzen." Ich gab mir alle Mühe, die Erinnerungen aus meinem Gedächtnis hervorzukramen. „Warum erinnere ich mich nicht? Was ist nach eurer Ankunft geschehen?" „Hast du Jabari danach gefragt?" „Er sagte, er erzählt es mir ein andermal." Frustration und Verärgerung schlichen sich in meinen Ton, und ich strich mir aufgebracht die Haare aus dem Gesicht.
„Dann überlasse ich es ihm", entgegnete Sadira rasch. Sie wirkte erleichtert und wollte offensichtlich nichts mit der Sache zu tun haben. „Ich möchte nicht über diese Nacht sprechen." „Warum? Was ist passiert? So schlimm kann es doch nicht gewesen sein, wenn wir gewonnen haben." Ich ging noch einen Schritt auf sie zu. „Nein, Mira, bitte! Du glaubst mir zwar nicht, aber ich liebe dich. Nach all den Jahren verfolgen mich deine Schreie immer noch, und ich weiß, dass ich sie niemals vergessen werde." „Du hast meine Schreie doch gar nicht gehört", gab ich leise zurück. „Die Naturi hatten vor eurem Eintreffen aufgehört, mich zu foltern." Sadira wich meinem Blick aus und fixierte einen Punkt über meiner Schulter. Mein Magen krampfte sich zusammen, während ich die dunklen Schatten zu vertreiben versuchte, die meine Erinnerungen an jene Nacht verhüllten. „Wie konntest du da meine Schreie hören?"
„Das ist jetzt nicht wichtig. Wir müssen die Triade neu formieren, bevor wir irgendetwas anderes tun", sagte sie mit bebender Stimme und überwand sich schließlich dazu, mir in die Augen zu sehen. Ich starrte sie sehr lange an, bevor ich wieder das Wort ergriff. Sie hatte ihre Entscheidung getroffen, und ich konnte sie unmöglich umstimmen. „Also gut." Ich steckte die Hände in die Hosentaschen, um mich davon abzuhalten, Sadira erneut mit Feuer zu bedrohen. „Jabari sagte, damit die Triade neu formiert werden kann, muss ich einen Blutsverwandten von Tabor finden. Da ich Tabors Schöpfer nicht kenne, müssen wir wohl eins seiner Kinder auftreiben."
„Da hast du Glück - obwohl ich wünschte, ein anderes Kind von ihm wäre in der Nähe", sagte Sadira und verzog missbilligend ihre vollen roten Lippen. „Warum?" „Er heißt Thorne. Er ist ein bisschen .. anders. Anscheinend gehört er zu einer neuen Generation von Nachtwandlern. Er geht ziemlich offen mit seiner Natur um", erklärte Sadira. „Wie auch immer, ich komme schon mit ihm klar", entgegnete ich mit einer wegwerfenden Handbewegung. „Ich glaube nicht, dass er sich so leicht überreden lässt." „Und ich bin sicher, dass ich keine Probleme mit ihm haben werde. Kennst du ihn persönlich? Wenn er schwierig ist, wäre mir lieber, er weiß nicht, dass ich nach ihm
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