Jägerin der Nacht 02 - Day Hunter
musste auch mich selbst stärken, aber im Moment gab es Wichtigeres.
Meine Gedanken schweiften ab. Ich wusste nicht, wie ich Hugo retten sollte. Wir mussten ihm Blut besorgen, und zwar jede Menge. Wir würden es ihm eintrichtern müssen, bis sich seine Wunden endlich schlossen und er es bei sich behalten konnte. Die Wunde musste sich vor Sonnenaufgang schließen, oder das Blut würde tagsüber aus ihm heraussickern, und er würde bei Sonnenuntergang nicht mehr erwachen. Das Geräusch eines Automotors, das sich den Ruinen näherte, riss mich aus meinen Gedanken. Eine kurze Überprüfung ergab, dass es Penelope war. Sie hatte außerdem zwei Menschen im Schlepptau. Es war nicht meine Absicht gewesen, ihr zu befehlen, dass sie Hugo auch noch einen Snack mitbringen sollte, einfach etwas, das ihm ein bisschen mehr Zeit verschaffte. Allerdings war ich für gewöhnlich etwas mäkelig mit meinem Essen, ganz egal, in welchem Zustand ich war. Bei einem erneuten Blick auf Hugo und sein graues Gesicht bezweifelte ich, dass ich mich in seiner Lage großartig angestellt hätte.
Penelope parkte den Wagen nicht weit von Hugo entfernt und kam, so schnell sie konnte, zu uns herüber.
Ich verzog finster das Gesicht, als ich das ältere Paar sah, das ihr zu den Ruinen vorausging. Einen nennenswerten Blutverlust würden sie nicht überleben, aber ich nahm an, dass sie sich einfach die Besitzer des Autos geschnappt hatte. Es war schlichtweg nicht genug Zeit, um ein paar fitte junge Männer aufzuspüren, denen es nichts ausmachte, ein paar Liter Blut zu verlieren.
Das Zischen eines Schwertes, das aus der Scheide gezogen wurde, ließ mir einen Schauer über den Rücken laufen. Die Hand immer noch auf Hugos Bauch gepresst, fuhr ich herum und entdeckte Danaus, der sein Schwert auf Penelope richtete. Sie hatte sich vor die beiden Menschen gestellt, als wolle sie sie vor dem Jäger beschützen.
„Mira!" Danaus unnachgiebige Stimme landete schwer auf meinen Schultern. „Danaus, warte!" „Hugo braucht Blut", stellte Penelope fest und hob knurrend die Oberlippe, bis ein Paar makellose Eckzähne sichtbar wurden. Es war eine Warnung. „Hugo hält nicht mehr lange durch, wenn wir nicht wieder etwas Blut in seinen Kreislauf kriegen", sagte ich und versuchte, meiner Stimme einen ruhigen, unaufgeregten Klang zu geben. Das Geräusch von Danaus' und Ryans Herzschlag schien über die ganze von Bäumen umstandene Fläche zu hallen und noch das Rascheln der Blätter zu übertönen. Wir waren vom Kampf mit den Naturi alle noch höchst angespannt, und uns lagen die Nerven blank. Ich durfte nicht zulassen, dass jetzt jemand durchdrehte.
„Sie will, dass er die Menschen tötet", sagte Danaus und kam einen Schritt näher. Der Jäger richtete die Schwertspitze auf Penelopes Hals. „Lass die Menschen frei." „Nein! Hugo braucht sie!", schrie Penelope. „Mira, pfeif ihn zurück! Hugo braucht Blut." „Danaus! Runter mit der Waffe!" „Ich lasse nicht zu, dass ihr Menschen tötet", sagte Danaus. Er fasste den Schwertgriff neu, fester diesmal, als letzte Warnung für mich.
Die Zeit verlangsamte sich, und ich hockte wie erstarrt am Boden, eine Hand auf Hugo. Danaus schwang zweimal das Schwert; erst stieß er es Penelope in die Brust, zog es heraus und schlug ihr schließlich in einem weiten Bogen den Kopf ab. Ich sah nur zu und brachte kein Wort des Protestes über die Lippen, während er die makellose, flüssige Schwungbewegung vollführte. Der Schock machte jeden nützlichen Gedanken unmöglich.
Innerhalb weniger Sekunden war die gesamte Situation vollkommen außer Kontrolle geraten.
Penelopes Blut bespritzte uns von oben bis unten. Im Moment ihres Todes erwachten auch die Menschen aus der Trance, in die sie sie versenkt hatte, um sie ruhig und fügsam zu machen. Ihre Schreie gellten durch das Tal, brachen sich an den nahen Bergen und rissen mich aus den eigenen morbiden Gedanken. Die beiden Alten starrten schreiend und zitternd auf die blutüberströmten Hände und Klamotten. Sie hatten sich beim Aufwachen im Freien wiedergefunden, auf der Erde zwei blutige Körper, inmitten von drei blutbespritzten Schauergestalten. Während ich in ihre weit aufgerissenen, panischen Augen blickte, fragte ich mich, was unser Regent sich bei dem Entschluss gedacht hatte, das Große Erwachen vorzuziehen. Es war der reine Wahnsinn.
„Ryan!", schrie ich mit zitternder Stimme. Hugo regte sich leicht, während ein erneutes Stöhnen durch seinen Kopf grollte. Danaus
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