Jägerin der Nacht 03 - Dawnbreaker
Seufzer von Shelly brachte mich wieder zu der Erdhexe zurück. Sie stand zwischen den Fronten zweier verfeindeter Völker. Sie konnte nichts anderes tun, als sich für die Partei zu entscheiden, die ihr das Überleben garantierte, also musste sie sich auf die Seite der Nachtwandler schlagen. Aber Cynnia hatte recht. Menschen waren für uns kaum mehr als Schlachtvieh. Schlachtvieh, das vielleicht noch für etwas hässlichen, brutalen Zeitvertreib gut war, wenn es uns gerade in den Kram passte. Das geringere Übel war immer noch übel.
„So wie sich das anhört, Mira", setzte Shelly an und entwand sich meinem Griff, während sie den Blick auf den abgewetzten und ausgeblichenen Teppich zu unseren Füßen gerichtet hielt, „versuchst du, die in dich strömende Energie in dir zu speichern wie eine Batterie, statt sie durch dich hindurchfließen zu lassen wie eine Leitung." „Ich versuche gar nichts", gestand ich und bemühte mich, nicht allzu schroff zu klingen. „Die ersten paar Male geschah es ganz unabsichtlich. Es passiert einfach, ganz gegen meinen Willen." „Dann muss die Erde dich wegen deiner Fähigkeit, das Feuer zu beherrschen, als Ventil wählen", schlug Cynnia plötzlich vor. Sie kehrte zu ihrem Platz am Boden vor der Wand zurück und schlang die Arme um die angewinkelten Knie. „Wenn du nicht willst, dass das noch mal passiert, komm einfach keiner von den Quellen auf dieser Welt mehr zu nahe."
„Nia", sagte ich leise im sanftesten Ton, zu dem ich bei meiner wachsenden Verzweiflung noch in der Lage war. „Ich muss verhindern, dass sich dieses Tor öffnet." Zu meiner Verwunderung schloss Cynnia die Augen, und eine einzelne, dicke Träne kullerte ihr die Wange hinunter. „Ich weiß." Und was sie außerdem wusste, war, dass viele Angehörige ihres Volkes im bevorstehenden Kampf um Machu Picchu ums Leben kommen würden. „Wie ich schon sagte", fuhr Shelly fort und lenkte meine Aufmerksamkeit von der verzweifelten, trauernden Naturi ab. „Du verhältst dich wie eine Batterie. Es klingt, als würde die Kraft in deinen Körper hineinströmen, und der versuchst dann, die Energie zu speichern, bis du bereit bist, sie einzusetzen. Leider kannst du nur ein begrenztes Maß an Energie speichern, bevor sie dich vernichtet."
„Ich finde, diese Beschreibung trifft es ganz gut", murmelte ich. Immerhin würde das die unerträglichen Schmerzen erklären, die ich jedes Mal spürte, wenn die Macht in meinen Körper strömte, und auch die Linderung, wenn ich endlich meine Kräfte einsetzte. Außerdem fragte ich mich, ob ich deshalb den gleichen Schmerz spürte, wenn Danaus oder Jabari versuchten, mich zu manipulieren. Speicherte ich schlichtweg ihre Kraft in meinem Körper, bis ich mich am Ende ihrem Willen beugte?
„Du musst zu einer Leitung werden", wiederholte Shelly. „Du musst der Energie erlauben, nicht nur in dich hineinzuströmen, sondern auch wieder hinaus. Wenn du Erdmagie benutzt, zapfst du dafür einfach die Kraft an, die auf ganz natürlichem Weg in dich fließt." „Und wie genau soll ich das anstellen?" Bei dieser Frage biss sich Shelly auf die Unterlippe und warf Cynnia, die mit den Achseln zuckte, einen Blick über die Schulter zu.
„Da hast du jetzt mal die einmalige Gelegenheit, mir zu zeigen, was du wert bist, und dein Leben zu retten, und da sagst du Nein!", schrie ich, sprang vom Bett und ging auf sie zu. „Nein, das habe ich nicht gemeint", sagte Cynnia und riss die Arme hoch, um sich vor mir zu schützen. „Ich habe keine Ahnung, wie ich dir beibringen soll, was du da verlangst. Normalerweise kommt das ganz von selbst. Ehrlich, ich würde es dir verraten, wenn ich nur wüsste, wie. Ich denke lieber gar nicht darüber nach, wie viel Kraft du aufsaugen oder welchen Schaden du anrichten kannst, wenn sie freigesetzt wird. Mir wäre es lieber, wenn du zur Leitung wirst, wie Shelly gesagt hat."
Ich hielt inne und blickte zu Shelly zurück, die mir zunickte. „Von diesem Problem höre ich auch zum ersten Mal", ergänzte sie. „Ich muss nach der Macht der Erde greifen und sie in mich aufsaugen, bevor sie ganz von alleine wieder hinausströmt, wie ein Fluss. Er fließt durch mich hindurch, und ich schöpfe einfach aus ihm, was ich für den Spruch brauche, den ich gerade wirke." „Verdammt", murmelte ich und ging wieder zum Bett hinüber, wo ich mich erneut auf die Kante fallen ließ. Ich fuhr mir mit beiden Händen entnervt durchs Haar und strich es mir aus dem Gesicht, während ich
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