Jägerin der Nacht 03 - Dawnbreaker
musste. Ich verhüllte mich vor allzu neugierigen Blicken und schlüpfte zwischen den Polizeiwagen hindurch ins Kampfgebiet.
Beim Anblick der ersten Leiche schrak ich zurück. Der Mann war nackt, man hatte ihm die Eingeweide herausgerissen und ihn dann enthauptet. Er war einer der unglücklichen Lykanthropen, die dem Ruf der Naturi gefolgt waren. Im Augenblick seines Todes hatte sein Körper ganz von selbst wieder Menschengestalt angenommen. Ich unterdrückte ein Schaudern, als ein weißes Tuch über die Leiche gebreitet wurde, und setzte meinen Weg fort, tiefer in den Park hinein.
Tristan?, meldete ich mich zögernd. Ich nahm erst jetzt Kontakt mit ihm auf, weil ich vorher befürchtet hatte, ihn in einem entscheidenden Moment abzulenken. Aber jetzt, da ich wusste, dass die Naturi diesen Ort verlassen hatten, musste ich einfach seine sanfte Stimme in meinem Kopf hören. Hier flüsterte er. Die geistige Berührung war schwach und flüchtig, aber sie kam ganz aus der Nähe. Ich folgte der Empfindung bis zu einem Grüppchen von Rettungssanitätern, die rund um einen Menschen knieten, der an einen Baum gelehnt dasaß.
Die Rinde über seinem Kopf war von langen Klauen zerfetzt nd bis zum bleichen, fleischigen Inneren aufgerissen worden. „Tristan." Ich stieß seinen Namen mit atemloser Erleichterung hervor, bevor ich mich zurückhalten konnte, sodass ich meine Tarnung gegenüber den Umstehenden in Hörweite aufgab. Zwei der drei Menschenköpfe fuhren überrascht auf, als eine Unbekannte so nahe bei dem Verletzten auftauchte. „Kennen Sie den Mann?", fragte einer und stand auf.
„Ja, er ist . . mein Bruder", sagte ich nach einem winzigen Moment des Zögerns. Ich sah zu jung aus, um mich als seine Mutter ausgeben zu können, auch wenn ich diese Rolle in der Familie genau genommen spielte. „Lassen Sie mich zu ihm." Ich unterstrich den Befehl bei allen drei Sanitätern durch einen sanften geistigen Schubs, die sofort aufstanden und einen Schritt von Tristan zurücktraten.
Ich kniete mich vor ihm hin und stellte fest, dass der Nachtwandler blutüberströmt war. Sein dunkelblaues Hemd war zerfetzt, und große Verbände aus weißem Mull und Pflastern waren auf Hals, Armen und Brust verteilt. Ein weiterer Verband klebte am linken Oberschenkel. Wenn man nur nach seinem Zustand und der Zerstörung ging, die im Park angerichtet worden war, sah es so aus, als ob er und ein paar andere beinahe ausschließlich von Lykanthropen angegriffen worden waren.
„Was ist passiert?", fragte ich und packte den nächstbesten Sanitäter am Arm. Damit Tristan sich in Ruhe nähren konnte, dehnte ich meine Gedankenkontrolle auf alle drei Rettungskräfte aus. Ich war ihnen für die liebevolle Pflege dankbar, da sie zweifellos dazu beigetragen hatte, seinen Blutverlust zu verlangsamen, aber eine Blutspende wussten wir beide noch mehr zu schätzen. „Wir haben auf dem Weg zum Dark Room eine Abkürzung genommen, als die Naturi uns angegriffen haben", sagte er leise und nahm dankend das Handgelenk des Sanitäters an, das ich ihm hinhielt. „Es waren nur zwei von ihnen, und dann haben die Gestaltwechsler angegriffen. Es muss mindestens ein Dutzend gewesen sein, alle in Wolfsgestalt. Wir hatten nicht die geringste Chance."
„Was bedeutet wir?", fragte ich und verzog das Gesicht, als ich ihn in dem Moment die Eckzähne in das Handgelenk des Mannes graben hörte, worauf er auch in meinem Kopf gleichsam mit vollem Mund zu vernehmen war. Wir waren zu viert. Amanda, ich, Kevin und Charles. Ich spürte, wie er einen leisen Seufzer ausstieß, während das Blut ihm die Kehle hinunterrann. Das würde helfen, seine Heilung zu beschleunigen. Wir waren auf dem Weg ins Dark Room, um uns dort mit Knox zu treffen.
Bleib hier. Nähre dich, befahl ich und richtete mich auf. Tristan übernahm die geistige Kontrolle über die drei Rettungskräfte, während ich mir einen Weg durch das Chaos bahnte. Parkbänke waren zerschmettert worden, und tiefe Furchen hatten sich in die Erde gegraben, wo Körper zu Boden geschleudert worden waren. Und überall sah ich Klauenspuren.
Ich schritt rasch den Park in ganzer Länge ab und suchte nach jeder Leiche, nach jedem verwundeten Kämpfer. Sechs Lykanthropen und ein blonder Nachtwandler namens Charles hatten den Tod gefunden. Von Amanda und Kevin keine Spur. Ebenso wenig wie von den beiden Naturi, die Tristan gesehen haben wollte. Tristan, wo sind Amanda und Kevin?, fragte ich und gab mir Mühe, meine Gedanken zu beruhigen.
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