Jägerin der Nacht: Firestarter (German Edition)
kaum fünf Stunden Schlaf abbekommen. Letzte Nacht hatte ich fast eine Stunde gebraucht, um nach Hause ins Bett zu wanken. Mein Körper hatte sich erholt, war aber immer noch etwas empfindlich.
Doch ein Hoffnungsschimmer blieb mir, als ich langsam zur Polizeiwache aufstieg. Daniel Crowley hatte mich aus meinem bleiernen Koma geweckt und verkündet, dass möglicherweise eine Zeugin aufgetaucht war; jemand, der beobachtet hatte, wie der Mörder Abigail Bradfords Haus verlassen hatte. Mehr hatte der Detective mir noch nicht verraten, nur dass ich mich beeilen sollte, wenn ich noch mit ihr sprechen wollte.
Ich schlurfte mit verquollenen Augen durch das Gebäude, bis ich vor Daniels Schreibtisch stand. Der Detective wirkte nach all den Überstunden erschöpft. Die Ärmel des zerknitterten weißen Hemdes hatte er bis über die Ellbogen aufgerollt, und die Krawatte baumelte ihm um den Hals wie eine schlampig gebundene Henkersschlinge. In einem wachsenden Haufen, der bald über die Seiten zu quellen drohte, türmten sich Papierfetzen, Akten und dreckige Pappbecher auf seinem Schreibtisch.
»Schätze, es ist gut, dass du gekommen bist, sonst wäre Mira diese Gelegenheit entgangen«, sagte Daniel statt einer Begrüßung. »Ich muss die Kleine noch zur Jugendfürsorge bringen, bevor ich für heute Schluss mache.«
»Jugendfürsorge?«, wiederholte ich schafsköpfig, während mein Gehirn immer noch damit beschäftigt war, ohne Morgenkaffee eine klaren Gedanken zu fassen.
»Genau. Das Mädchen ist kaum älter als dreizehn, obwohl es schwer ist, überhaupt eine klare Antwort aus ihr rauszukriegen.« Daniel hielt inne und fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. »Sie lebt auf der Straße – eine Ausreißerin. Wir haben sie schon ein paarmal aufgegriffen. Aber sie wollte in keinem der Heime bleiben, an die wir sie vermittelt haben.«
»Wie bist du denn auf sie gekommen?«
»Sie ist zu uns gekommen. War vor Angst völlig außer sich. Hat wahrscheinlich seit Tagen nicht geschlafen«, antwortete Daniel mit einem schweren Seufzen und wuchtete sich aus dem Sessel.
»Hast du eine Beschreibung des Täters aus ihr herausbekommen?«, fragte ich, während ich ihm den Flur entlang an einer Reihe von Verhörzimmern vorbei folgte.
»Sie hat den größten Teil des Morgens mit einem Zeichner verbracht«, erklärte er und blieb mit der Hand am Türknauf stehen. »Ich wollte Mira gerade eine Kopie des Porträts schicken, aber dann hat sie gesagt, dass der Typ rot glühende Augen hatte. Kann natürlich eine optische Täuschung gewesen sein, aber ich hielt es für das Beste, wenn einer von euch noch mal mit ihr redet.«
Bei dem Ausdruck ›einer von euch‹ zuckte ich zusammen und stieß ein leises, zustimmendes Grunzen aus. Ich war kein Vampir oder Lykanthrop, und das wusste Daniel auch. Allerdings bezweifelte ich, dass er ahnte, dass ich nicht ganz menschlich war. Für ihn war ich einer von ›denen‹, weil ich mich mit Mira herumtrieb.
»Außerdem ist noch etwas Merkwürdiges passiert«, meinte Daniel und ließ den Türknopf des Verhörraums wieder los. »Heute Morgen ist ein Schwimmer aufgetaucht.«
»Schwimmer?«, fragte ich verwirrt.
»Eine Leiche im Fluss, unten an den Werften«, erklärte Daniel.
»Und du glaubst, das hat was mit unserem Fall zu tun?« Ich war überrascht, dass er noch nichts von dem Mann wusste, den ich auf dem Factors Walk verbrannt hatte. Es war natürlich möglich, dass man die Leiche noch nicht entdeckt hatte oder dass die Todesumstände nicht so seltsam gewesen waren, wie Daniel es aus Miras Umfeld gewöhnt war.
»Möglicherweise. Archie hat schon angerufen. Sagt, die Zähne sind nicht menschlich, sondern gehören zu einem Tier. Der Wangenknochen ist komplett zerschmettert. Und einer ersten groben Beschreibung nach zu urteilen, passt der Kerl in etwa zu der Beschreibung, die das Mädchen gegeben hat«, erklärte Daniel.
»Dann haben wir also unseren Mörder«, sagte ich. Eigentlich hätte ich unglaublich erleichtert sein müssen, stattdessen verspürte ich nur wachsende Furcht. »Woran ist der Mann denn gestorben?«
»Archie zufolge war von den inneren Organen nur noch schwarzer Schleim übrig. Der Körper wurde komplett lahmgelegt«, sagte Daniel. »Was für ein Wesen könnte so was tun?«
»Ich habe nicht die geringste Ahnung«, gab ich zu, doch ich begann mich zu fragen, ob der Tote nicht womöglich nur der Überträger für etwas viel Dunkleres gewesen war. »Lass mich mal mit dem Mädchen
Weitere Kostenlose Bücher